Bahnhof Ziegelbrücke (SG). Eine Sandsteintafel im Fels erinnert an einen Zürcher Kaufmann, der hier seine Spuren hinterliess: Hans Conrad Escher von der Linth. Ein viel gereister, cleverer Mann, der in die ganze Schweiz gute Kontakte hatte.
Escher hatte die entscheidende Idee, erzählt Archäologin Regula Steinhauser. Der Bund wollte schon im 18. Jahrhundert das Hochwasser beim Walensee eindämmen. «Das Projekt von 1784 war aber zu teuer. Während der helvetischen Revolution ging dann gar nichts. Später hatte Escher die Idee, wie das Linthwerk finanziert werden kann.»
Der Escher-Linth-Kanal im 19. Jahrhundert
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Seit 200 Jahren fliesst das Wasser der Linth durch einen pfeilgeraden Kanal durch die Linthebene. Damals wurde die Linth in ein fixes Flussbett verlegt. Von Netstal (GL) fliesst das Wasser über den Walensee in den Obersee. Die Seen werden als Ausgleichsbecken genutzt.
Der Bau des Linthwerks war der Anfang einer Entwicklung von Wachstum und wirtschaftlichem Aufschwung. Nach 15 Jahren Bauzeit war die Linth gezähmt, der Walenseespiegel sank sofort, das Land trocknete aus und die Dörfer wuchsen.
Eisenbahn bremst Schifffahrt
Die Schifffahrt vom Walen- an den Zürichsee dauerte neu nur noch vier Stunden statt einen ganzen Tag. Es entstanden Spinnereien am Flussufer, es wurde gross geträumt. Die Lebensbedingungen verbesserten sich massiv.
Hinzu kam die europaweite Industrialisierung, die den Schiffsverkehr auf dem Kanal ankurbelte. Nach dem Bau der Eisenbahn 1859 brach die Kanalschifffahrt allerdings zusammen.
Die Glarner Spinnereien nutzten das Wasser nach wie vor, das Linthwerk erhielt aber seine ursprüngliche Funktion zurück: den Schutz des Umlands vor Hochwasser.
Finanziert wurde das eidgenössische Grossprojekt über Aktien. «Diese wurden von den Kantonen und Gemeinden, Kirchgemeinden, Privaten und Handelsgesellschaften gekauft. Am Ende waren es über 4000 Aktien à 200 Franken», sagt Steinhauser.
Aktien, die damals das Geld brachten und längst zurückbezahlt wurden. Baubeginn war bei Näfels (GL). Der Sumpf nahe Walensee sorgte für Probleme. Steinhauser: «Militärische Linth-Kompanien bauten den Kanal abschnittweise. In sumpfigen Gegenden wurde im Winter gebaut. Der Boden war gefroren und begehbar. Dazu kommt: Es war alles Handarbeit.»
Hans Conrad Escher begleitete die Arbeiten an der Linth vor Ort, überzeugte Bauern davon, Land abzutreten, entwickelte das Projekt technisch weiter und rechnete ab. Vor 200 Jahren, nach 15 Jahren Bauzeit, wurde das Linthwerk fertig. Jedenfalls für den Moment, sagt Steinhauser: «Escher sagte, das Linthwerk sei nie fertig. Es brauche immer Unterhalt und Weiterentwicklung. 1822 schrieb er eine Instruktion für seine Nachfolger.»
Eine Prognose, die sich bewahrheiten sollte, wie die letzten 200 Jahre zeigten. Nicht nur beim Hochwasserschutz gab es immer wieder Anpassungen. Auch die Natur rund um den Kanal rückte immer mehr ins Zentrum.
Nach dem Aufkommen der Eisenbahn diente das Linthwerk seiner ursprünglichen Funktion, dem Hochwasserschutz. Zu dieser Zeit setzte der Bund die Linthkommission mit einem Linthingenieur ein. Das ging 140 Jahre lang so weiter. Bis 2003, als sich der Bund zurückzog. Seither ist ein Konkordat der Kantone St. Gallen, Glarus, Schwyz und Zürich für das Werk zuständig.
Mehr Menschen bedeutete mehr Schutz
Als Geschenk zum Jubiläum gibt es eine Dauerausstellung bei Uznach. Markus Jud, der heute Linthingenieur ist, erzählt, wie am Anfang des Jahrtausends ein Gebiet geschaffen wurde, wo bei extremem Hochwasser ein Schieber geöffnet werden kann, um das Wasser kontrolliert in den alten Linthlauf umleiten zu können.
Das sei nötig geworden, weil immer mehr Menschen im Gebiet leben: «Die Siedlung dehnte sich aus. Das ergab einen enormen Nachholbedarf, der Schutzanspruch stieg.»
Gestiegen ist auch der ökologische Anspruch. 1998 bis 2013 wurde das Linthwerk für 127 Millionen Franken ein erstes Mal totalsaniert. «Mit der Revitalisierungsplanung wurden die Kantone verpflichtet, die Revitalisierung der Gewässer voranzutreiben und zu berücksichtigen.»
Für die nächsten 100 Jahre
Mehr Pflanzen, mehr Tiere und unter Umständen auch mehr Platz für den Fluss. Eine ständige und emotionale Diskussion: Wie viel Platz soll die Linth haben? Darf sie ihren Weg selbst suchen? Wo hat es Platz für Böschungen und Sträucher?
Man müsse permanent dran bleiben, sagt Jud: «Heute ist es ein Infrastrukturbauwerk, das für die nächsten 100 Jahre unterhalten, überwacht und weiterentwickelt wird. Es gibt kein Zurück mehr.»
Der Escher-Linth-Kanal heute
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Wie Hans Conrad Escher von der Linth prophezeite, ist der Linthkanal ein stetes Weiterarbeiten. Man probiere, das Werk immer weiterzuentwickeln, sagt Linthingenieur Markus Jud.
Das aktuelle Wetter zeige, dass es wohl auch in Zukunft Anpassungen und Korrekturen brauche: «Wir gehen davon aus, dass es unberechenbarer wird. Die Hochwassersaison war früher im Sommer. Heute müssen wir auch im November mit Hochwasser rechnen.»
Der Unterhalt kostet heuer pro Jahr 1.3 Millionen Franken. Dies wird einerseits über Pachtzinsen und den Erträgen aus Kiesverkäufen aus dem Flussbett gedeckt. Den Rest teilen sich die Konkordatskantone nach einem bestimmten Schlüssel.
Gummiboote statt Handelsschiffe
Das Hauptziel des Linthwerks – das hat sich seit zwei Jahrhunderten nicht verändert – bleibt der Hochwasserschutz. Was neu dazugekommen ist, ist die Art und Weise, wie der Mensch den Kanal nutzt. Heute ist er für viele ein Ort der Freizeit, für Leute, die mit dem Hund spazieren gehen oder mit dem Velo dem Kanal entlangfahren.
Auch das bleibt eine Herausforderung: Es werden nämlich immer mehr Leute, die an das Flussufer kommen. An ein Flussufer, das immer grüner wird. Auf dem Wasser fahren zwar keine Handelsschiffe mehr, an schönen Tagen gleiten heute Gummiboote den Kanal hinab.
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