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200 Millionen Schaden pro Jahr So bekämpfen die Behörden die Konkursreiterei

Sogenannte Konkursritter kaufen Firmen, die pleite sind, auf, und pressen sie aus – auf Kosten der Gläubiger, die auf ihren Rechnungen sitzen bleiben. Das belastet auch die öffentliche Hand.

«Mehrfache Anstiftung zu Misswirtschaft»: So lautete die Anklage gegen einen Mann, die heute vor dem Zürcher Obergericht verhandelt wurde. Das Urteil steht noch aus. Der Fall klingt eigentlich unspektakulär. Doch dahinter verbirgt sich ein Delikt, das allein im Kanton Zürich jedes Jahr einen Schaden von 200 Millionen Franken verursacht: die sogenannte «Konkursreiterei».

Dabei geht es um serbelnde Kleinbetriebe, die von Kriminellen in den Konkurs getrieben werden, sodass am Ende unzählige Lieferanten und auch die öffentliche Hand um ihr Geld geprellt werden. Nehmen wir als Beispiel einen Gipserei-Ein-Mann-Betrieb. Die Firma läuft nicht gut, die offenen Rechnungen häufen sich. In dieser Situation wird dem Gipser über einen Vermittler angeboten, er könne gegen eine Gebühr von ein paar Tausend Franken, sein Unternehmen abstossen – an einen sogenannten «Firmenbestatter».

Am Schluss, wenn die Gesellschaft Konkurs ist, bezahlt die Person die Schulden einfach nicht.
Autor: Andrea Jug-Höhener Chefin der Ermittlungsabteilung für Wirtschaftkriminalität, Kantonspolizei Zürich

Dieser benennt die Firma um und verlegt den Sitz in einen anderen Kanton.

Dadurch habe die vorher konkursreife Firma wieder einen leeren Betreibungsregisterauszug, erklärt Andrea Jug-Höhener von der Zürcher Kantonspolizei das Vorgehen: «Der Bestatter kann die Gesellschaft aushöhlen, indem er zum Beispiel noch Kreditkarten beantragt und Telefone und sonstige Waren auf den Namen der Gesellschaft bestellt. Und am Schluss, wenn die Gesellschaft Konkurs ist, bezahlt er diese Schulden einfach nicht.»

128 Firmen in den Konkurs getrieben

Die Leidtragenden sind die Lieferanten, aber auch Steuerbehörden und Sozialversicherungsanstalten – sie sehen ihr Geld in der Regel nicht mehr.

Ende 2016 gründete die Zürcher Kantonspolizei eine Sonderkommission, um Konkursreiterei zu bekämpfen. Sie arbeitet dabei eng mit den Betreibungs-, Konkurs- und Handelsregisterämtern zusammen, um mögliche Firmenbestattungen früh zu erkennen. In den letzten drei Jahren ermittelte sie in gut 2200 Fällen von Konkursmissbrauch. Dabei seien auch einige grosse Fische ins Netz gegangen, so Jug-Höhener: «Der bisher grösste verurteilte Firmenbestatter hatte 128 Firmen in den Konkurs getrieben. Er erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren teilbedingt und ein Tätigkeitsverbot.»

In ganz besonderen Fällen sollte die Person ein Ausübungsverbot bekommen.
Autor: Henrique Schneider Vizedirektor des Schweizerischen Gewerbeverbandes

Das entschiedene Vorgehen zeigt Erfolg. Mittlerweile sind die Fälle von Konkursmissbrauch im Kanton Zürich deutlich zurückgegangen. In anderen Kantonen zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Ausserdem stellte der Bundesrat im Sommer 2019 ein Massnahmenpaket gegen Konkursreiterei vor.

Handelsregister soll Meldung erstatten

Henrique Schneider, Vizedirektor des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV), erhofft sich viel davon: «In Zukunft soll die Person, die den betrügerischen Konkurs gemacht hat, eingetragen werden.»

Das bedeutet, dass die Handelsregisterämter automatisch überprüfen sollen, ob eine solche Person eine neue Firma anmeldet. «In ganz besonderen Fällen sollte die Person sogar ein Ausübungsverbot bekommen» – sprich, sie soll keine neue Firma gründen können, erklärt Schneider. Zwar dürfte sich auch damit die Konkursreiterei wohl nie ganz ausmerzen lassen. Aber die Firmenbestatter sollen es in der Schweiz so schwer wie möglich haben.

Echo der Zeit, 30.01.2020, 18:00 Uhr

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