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25 Jahre Dignitas Wenn Menschen zum Sterben in die Schweiz kommen

Dignitas begleitet auch Menschen aus dem Ausland in den Tod. Dafür stand die Organisation immer wieder in der Kritik.

Sterbehilfe im Auto, im Hotel oder mithilfe von Helium – mit solchen Fällen sorgte die Organisation Dignitas vor einigen Jahren immer wieder für Schlagzeilen. Inzwischen ist es zwar ruhiger geworden um die Zürcher Sterbehilfeorganisation, doch deren Gründer, Ludwig A. Minelli, wirkt kämpferisch wie eh und je. Schon sein Vorname deute darauf hin: «Ludwig heisst übersetzt: der weit bekannte Kämpfer.»

Der 90-Jährige sitzt bei sich zu Hause auf einem grün karierten Sofa. An die Gründungszeit vor genau 25 Jahren erinnere er sich noch genau: «Über Nacht habe ich den Namen Dignitas erfunden. Und schon am Montag waren wir operativ.» Weil im Gründungsteam auch Sterbebegleiterinnen dabei waren, konnte Dignitas direkt Menschen in den Tod begleiten.

Ludgwig A. Minelli
Legende: Ludgwig A. Minelli ist Gründer und Generalsekretär von Dignitas. Ans Aufhören denkt der 90-Jährige noch lange nicht. Keystone/EPA/Thorsten Wagner

Dignitas war eine Abspaltung von Exit, der ersten und grössten Schweizer Sterbehilfeorganisation. Nachdem es zum Streit innerhalb von Exit gekommen war, schlug Minelli einer Gruppe vor, einen eigenen Verein zu gründen.

Die beiden Sterbehilfeorganisationen unterscheiden sich auch heute noch in einem wesentlichen Punkt: Dignitas begleitet, im Gegensatz zu Exit, auch Menschen mit ausländischem Wohnsitz in den Tod. Dies führte immer wieder zu Kritik.

«Sterbetourismus» wurde zum stehenden Begriff

Gerade einmal 7 Prozent der fast 12'000 Mitglieder von Dignitas sind Schweizerinnen und Schweizer. Es sind vor allem Deutsche, Engländerinnen oder Amerikaner in die Schweiz gereist, um mit der Hilfe von Dignitas zu sterben. «Würden wir nur Schweizer nehmen, würden wir alle anderen Menschen auf der Welt diskriminieren. Diskriminierung ist nicht mein Geschäft», stellt Minelli klar.

Diese Praxis wurde unter dem Begriff «Sterbetourismus» bekannt und rief viele Kritikerinnen und Kritiker auf den Plan. Unter ihnen auch Andreas Brunner.  Bis 2014 war er leitender Zürcher Oberstaatsanwalt. In seinem Amt beschäftigte er sich häufig mit Dignitas und führte auch diverse Verfahren gegen Ludwig A. Minelli.

Der Mensch kommt, hat ein Gespräch und stirbt.
Autor: Andreas Brunner Ehemaliger Zürcher Oberstaatsanwalt

Das Problem am «Sterbetourismus» liege für ihn darin, dass es zu schnell gehe von der Einreise bis zum Tod: «Der Mensch kommt, hat ein Gespräch und stirbt.» Vielen Elementen, die bei einem Sterbewunsch relevant seien, etwa dass dieser wohlerwogen sei, könne man so nicht gerecht werden, findet Brunner.

Sterben im Hotel oder im Auto

Für grosse mediale Aufmerksamkeit sorgten jedoch vor allem konkrete Ereignisse: Fälle, bei denen Menschen im Hotel, im Auto oder mit Helium in den Tod begleitet wurden. «Ludwig A. Minelli ist ein Meister im Ausloten von Grauzonen», sagt der ehemalige Oberstaatsanwalt.

«Wir haben nie Graues oder Schwarzes gemacht. Wir haben immer nur Weisses gemacht», entgegnet Ludwig A. Minelli. Die Sterbebegleitung im Auto etwa sei der ausdrückliche Wunsch des Sterbewilligen gewesen.

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In der Bevölkerung habe er immer grossen Rückhalt verspürt, sagt Minelli. Dies hätten diverse Abstimmungen gezeigt, bei denen strengere Gesetze für die Sterbehilfe abgelehnt worden seien.

Wenn ich tot umfalle, würde Dignitas weiterlaufen wie bisher.
Autor: Ludwig A. Minelli Gründer und Generalsekretär Dignitas

Dignitas ist stark geprägt von ihrem Gründer. Was geschieht, wenn Sie einmal nicht mehr da sind, Herr Minelli? «Wenn ich tot umfalle, würde Dignitas weiterlaufen wie bisher.» Die Vereinsleitung sei seit vielen Jahren etabliert. Sein Tod sei eine Realität, mit der er sich tagtäglich beschäftige, sagt der 90-jährige Ludwig A. Minelli. Er rechne damit, dass er noch drei bis fünf Jahre hier sei. «Und so lange arbeite ich gerne noch mit.»

SRF1 Regionaljournal Zürich Schaffhausen 17.5.2023, 17:30 Uhr ; 

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