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50 Jahre San-Bernardino-Tunnel «Die Stille ging mit dem Tunnel verloren»

Vor fünfzig Jahren wurde der San-Bernardino-Tunnel eröffnet. Es war damals mit 6,6 km der längste Tunnel durch die Alpen. Er veränderte das Leben im Dorf Hinterrhein nachhaltig. Bis heute.

1967 wurde einer der wichtigen alpenquerenden Tunnel der Schweiz eröffnet, der San-Bernarndino-Tunnel. Augenzeugen erinnern sich an die siebenjährige Bauzeit und daran, wie das Verkehrsaufkommen ständig zugenommen hat.

«Als der Tunnel fertig war, war die Freude sehr gross», sagt Elisabeth Hasler, die Tochter des damaligen Gemeindepräsidenten. Kurt Wanner aus dem Nachbardorf Splügen, ebenfalls ein Zeitzeuge, fügt hinzu: «Vorher waren wir den ganzen Winter abgeschlossen, und plötzlich kamen Leute aus halb Europa. Als man hörte, dass die erste Million Menschen den Tunnel durchquert hat, war man stolz. Wir haben das tatsächlich gefeiert.»

Der Tunnel veränderte alles

Besonders freute man sich darüber, nun viel schneller in Chur oder Bellinzona zu sein. «Von den jungen Leuten meiner Generation besassen die ersten schon eigene Autos. Das hat eine andere Welt eröffnet», erinnert sich Erika Hössli.

Als man hörte, dass die erste Million Menschen den Tunnel durchquert hat, war man stolz. Wir haben das tatsächlich gefeiert.
Autor: Kurt Wanner Zeitzeuge aus Splügen

Auch das Postauto verkehrte nun häufiger, und so war es möglich, mal nach Thusis zum Einkaufen oder nach Bellinzona in den Ausgang zu gehen oder im Nachbartal eine Lehre zu machen: «Vorher blieben die Jungen einfach im Dorf, sie machten keine Lehre im Nachbardorf. Nun konnten sie das aber tun. Oder sie gingen in die Kantonsschule.»

Die negativen Seiten der Autobahn

Die moderne Schaltzentrale bei der Eröffnung des Tunnels.
Legende: Die moderne Schaltzentrale bei der Eröffnung des Tunnels. ETH-Archiv Zürich

Doch schon nach wenigen Jahren wich die Begeisterung der Ernüchterung. Die Autobahn brachte nämlich auch viel Lärm und Gestank. Die meisten Reisenden brausten an den Dörfern vorbei auf dem Weg ins Tessin oder ans Mittelmeer.

Besonders in Hinterrhein erfüllte sich die Hoffnung auf eine neue goldene Ära des Tourismus nicht. Denn dort führt die Autobahn unmittelbar am Dorf vorbei. Wer mit offenem Fenster schlafen will, braucht Ohrstöpsel. Das Bild des idyllischen Bergdorfs ging so verloren. «Einige Leute, die Ferienhäuser besessen haben, sagten, es sei nicht mehr Rheinwald. Die Stille und das Abgelegene ging mit dem Tunnel verloren.»

Rheinwald wäre heute ohne diesen Tunnel am Aussterben.
Autor: Kurt Wanner Zeitzeuge aus Splügen

Trotz aller enttäuschter Hoffnungen wünscht sich niemand im Tal die alte Zeit zurück, als es noch keinen Tunnel und keine Autobahn gab. «Der Tunnel hatte positive Folgen. Rheinwald wäre heute ohne diesen Tunnel am Aussterben», sagt Kurt Wanner.

In Splügen, wo die Autobahn etwas weiter vom Dorf weg entlangführt, und wo es schon vor dem Tunnel Tourismus gab, behauptet sich das Familienskigebiet bis heute. Die restlichen Dörfer des Rheinwald leben bis heute vorwiegend von der Landwirtschaft.

Wer geht, kommt häufig nicht zurück

Wer keinen Bauernhof führt, pendelt zur Arbeit nach Thusis oder Chur. Wie andere Bergtäler kämpft auch das Rheinwald um seine Bewohner. Wer eine höhere Ausbildung macht, kehrt selten ins Dorf zurück. Doch unter dem Strich behauptet man sich hier ganz gut, auch dank Innovationen in der Landwirtschaft. So stellte man schon sehr früh, in den 90er-Jahren, komplett auf Bio-Landwirtschaft um.

An der A13, die das Tal zerschneidet, stören sich die Einheimischen inzwischen weniger als ruhesuchende Touristen. Das Dorf Hinterrhein sei immer schon ein Durchgangsort gewesen, als Dorf der Säumer am Fuss des San-Bernardino-Passes, sagt Elisabeth Hasler: «Wir sind kein abgeschlossenes Tal. Das ist den Leuten bewusst.»

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