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Holzfigur von Bruder Klaus.
Legende: Der berühmteste Einsame der Schweiz: Niklaus von Flüe. Keystone

600 Jahre Niklaus von Flüe Wie viel Einsamkeit erträgt der Mensch?

Fast 20 Jahre lebte Niklaus von Flüe als Eremit. Eine absolute Ausnahme, denn der Mensch ist nicht fürs Alleinsein bestimmt. Das hat überlebenswichtige Gründe, sagt der Neuropsychologe Lutz Jäncke.

SRF News: Herr Jäncke, was bedeutet Einsamkeit?

Lutz Jäncke: Einsamkeit ist grundsätzlich schädlich für uns. Soziale Beziehungen sind essentiell für den Menschen, das hat uns die Evolution so mitgegeben. Wir definierten uns schon immer über die Gruppe, so wie dies zum Beispiel auch die Affen tun. Das Schlimmste, das uns passieren kann, ist, von anderen Menschen verstossen zu werden.

Lutz Jäncke

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Lutz Jäncke

Prof. Dr. rer. nat. Lutz Jäncke lehrt seit 2002 Neuropsychologie an der Universität Zürich.

Was heisst das genau?

Es kann richtig gefährlich werden. Man weiss inzwischen, dass die Einsamkeit nebst den psychischen Folgen auch Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat. Bei Affen konnte man beobachten, dass sie starben, nachdem sie aus ihrer Gruppe verstossen wurden. Das liegt an der körpereigenen Cortisol-Überproduktion, die in solchen Fällen eintritt. Diese führt dazu, dass sich die Organe langsam zerstören.

Einsiedler zwingen sich zur Einsamkeit. Sie unterdrücken einen biologischen Trieb, ähnlich wie beim Zölibat.
Autor: Lutz Jäncke Neuropsychologe

Jetzt gibt es aber Menschen, wie zum Beispiel den Bruder Klaus, die sich bewusst zurückziehen. Sie handeln also scheinbar entgegen ihrer Natur. Wie erklären Sie das?

Es gibt verschiedene Gründe, weshalb Menschen einsam sind. Sie können verstossen werden, was zu psychischen und körperlichen Schäden führen kann. Es kann aber auch die Folge eines Krankheitsbildes sein, wenn jemand zum Beispiel sozial gestört ist. Dann gibt es wenige Ausnahmen: jene Menschen, die sich aus eigenem bewusst in die Einsamkeit begeben. Weil sie entweder von anderen Menschen enttäuscht wurden oder eben aus rituellen Gründen.

Wie der Bruder Klaus?

Genau, solche Einsiedler zwingen sich zur Einsamkeit. Sie unterdrücken einen biologischen Trieb, ähnlich wie beim Zölibat. Dies kann religiöse Gründe haben, muss aber nicht.

Einsiedler sind die Ausnahme. Gibt es denn auch für den grossen Rest der Menschen eine gesunde Art der Einsamkeit?

Die gibt es und sie passt in unsere moderne Zeit. Wir werden ständig überflutet von Reizen: Den Tag durch sind wir abgelenkt vom Handy und am Abend schalten wir den Fernseher ein. Es ist immer was los, doch unser Gehirn mag dieses konstante Bombardement nicht. In solchen Situationen ist die Einsamkeit hilfreich, wenn auch nur vorübergehend. Wir können uns zum Beispiel zwei Wochen lang an einen ruhigen Ort zurückziehen; in den Bergen dem Wind zuhören oder am Meer den Wellen lauschen. Das hat etwas Meditatives und unser Gehirn kann sich erholen.

Vielen fällt es auch schwer, diese vorübergehende Einsamkeit auszuhalten. Kann man das Alleinsein lernen?

Ja, das ist möglich, braucht aber viel Selbstdisziplin. Mönche lernen das zum Beispiel und auch sie haben ihre Mühe damit. Der Weg dahin führt über Rituale wie beispielsweise das Beten. Es kann aber auch Meditation sein. Rituale helfen dem Menschen, sich mit schwierigen Dingen auseinanderzusetzen.

Das Interview führte Lars Gotsch.

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