- Das Aarauer Parlament will künftig digitale Teilnahmen an den Einwohnerratssitzungen erlauben. Der Einwohnerrat hat das Vorhaben mit 33 zu 10 Stimmen bewilligt.
- Digital teilnehmen sollen Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Krisenzeiten, aber nicht nur. Auch Mutterschaft, Militär oder Krankheit können gute Gründe für die Fernteilnahme sein.
- Das Aarauer Parlament prescht vor. Das kantonale Parlament ist noch nicht ganz so weit und in anderen Kantonen hatten ähnliche Vorstösse keine Chance.
Was im Parlament des Kantons Basel-Stadt keine Chance hatte, war in Aarau erfolgreich. In Basel wurde der Vorstoss betreffend «Schaffung der technischen und juristischen Möglichkeit für den rein virtuellen Grossratsbetrieb im Bedarfsfall» abgelehnt. Das Aarauer Parlament hingegen sagt ja dazu, dass Sitzungen im Parlament künftig auch digital möglich sein sollen, nicht nur in Krisen.
«Smart» statt von gestern?
Das Aarauer Parlament hat den Vorstoss an den Stadtrat deutlich überwiesen. Dieser muss nun die notwendigen Grundlagen erarbeiten, damit die Parlamentarierinnen und Parlamentarier (Einwohnerräte) künftig auch digital an der Parlamentssitzung teilnehmen können. Das mache man gerne, sagte Stadtammann Hanspeter Hilfiker (FDP), Aarau wolle als «Smart-City die Möglichkeiten ausloten», sagte er im Rat.
Die digitale Präsenz stärkt die direkte Demokratie.
Für den Vertreter des Vorstosses, Pascal Benz (FDP), gibt es viele gute Gründe für ein digitales Parlament: «Digitale Anwesenheit in Kommissionen und Einwohnerratssitzungen stärkt den Gemeinsinn. Es wird niemand von Entscheiden ausgeschlossen». Es fehle kein Einwohnerrat und dessen Erfahrung, nur weil er physisch nicht in Aarau sein könne, erklärte er das Vorhaben im Rat.
Klar, es gebe Befürchtungen, dass jeder künftig nur noch digital mitmachen würde, gibt Benz zu. Es brauche aber begründete Ausnahmen. Finanziell seien Informatik-Projekte ein Risiko. Man wolle aber keine komplexen, sondern schlanke Lösungen. Wie genau der Datenschutz gewährt bleiben soll, muss der Stadtrat nun ausarbeiten. Sobald die kantonale Verfassung geändert worden ist, kann die Aarauer Lösung in Kraft treten.
SVP hält als einzige dagegen
Anders sieht das die Aarauer SVP. Digital dabei sein, das sei nicht in Ordnung. Parlamentssitzungen müssten öffentlich sein, sagte Einwohnerrat Simon Burger. «Der Öffentlichkeits-Grundsatz ist hoch zu halten. Die Einwohnerräte sollen grundsätzlich anwesend sein», erklärte er die Haltung seiner Partei. Die Corona-Krise sei eine Ausnahmesituation, der Parlamentsbetrieb habe auch ohne Digitalisierung funktioniert.
Die Einwohnerräte sollen grundsätzlich anwesend sein.
Man befürchte Missbrauchsfälle, wenn nicht klar sei, was denn genau «gute Gründe» für das Fernbleiben im Ratssaal seien, befürchtet die SVP. Anders sieht das hingegen Daniel Balmer von den Grünen. Die begründeten Absenzen dürfe man weiter fassen. Es gebe auch Betreuungssituationen, die darunter fallen: «Ich musste in Spanien meine Tante pflegen. Da hätte ich mir eine Remote-Teilnahme gewünscht».
Ich musste in Spanien meine Tante pflegen und hätte ich mir eine Remote-Teilnahme gewünscht.
Nun ist das kantonale Parlament bald am Drücker. Damit die Parlamente in den Gemeinden nämlich digitale Lösungen für ihre Sitzungen umsetzen können, muss die Kantonsverfassung geändert werden. «Für den Regierungsrat sei es – auch aufgrund der Erfahrungen mit der Coronavirus-Pandemie – denkbar, virtuelle Parlaments- und Kommissionssitzungen unter gesetzlich klar umschriebenen Voraussetzungen durchzuführen», schrieb er Mitte September als Antwort auf einen Vorstoss aus dem Kantonsparlament.