In einem Haus brennt es, dicker Rauch entsteht, die Feuerwehr geht mit Atemschutzmasken ins Gebäude, um die Bewohnerinnen und Bewohner zu retten. Die Erwachsenen erhalten einen Spezialanzug über den Kopf, sogenannte Fluchthauben, damit sie den giftigen Rauch nicht einatmen. Nur Babys oder Kleinkinder passen diese Hauben nicht. Wie also soll man sie retten?
Ich habe das Baby dann bei mir vorne in die Feuerwehrjacke gestopft.Zum Glück ging das gut.
«Bisher mussten die Feuerwehren in solchen Situationen improvisieren», sagt David Selinger, CEO der Aargauer Firma Neorescue GmbH und selbst Feuerwehrmann: «Ich habe bei einem Einsatz einmal in einem Mehrfamilienhaus einen Säugling evakuieren müssen. Ich habe das Baby dann bei mir vorne in die Feuerwehrjacke gestopft. Zusammen mit Eltern und Grosseltern sind wir dann raus. Das ging zum Glück gut, aber es hätte auch schiefgehen können.» Die Rettung unter den Schutzjacken oder die ungeschützte Evakuation über die Drehleiter gilt für Säuglinge als lebensgefährlich.
Eine Box zur Rettung von Kleinkindern
Nicht nur das giftige Rauchgas ist für Säuglinge gefährlich, sondern auch Temperaturschwankungen. Sie können ihren Kreislauf instabil machen. Deshalb hat Selinger mit seiner GmbH innerhalb von sechs Jahren eine Lösung entwickelt. Eine brandfeste Box, die Babys beim Retten mit Sauerstoff versorgt. Diese hat sich nun die Feuerwehr Aarau als erste Feuerwehr überhaupt angeschafft, für künftige Rettungseinsätze.
Es gab nichts Vergleichbares und brauchte viel Herzblut.
Die Box des Startups baut ein Überdrucksystem auf. Darin werden die Säuglinge während 45 Minuten mit Atemluft versorgt. Für die Anwendung ist kein medizinisches Vorwissen nötig. Praktisch alles wird in der Schweiz produziert. «Es gibt bis jetzt nichts Vergleichbares. Bei der Entwicklung brauchte es viel Herzblut und Learning-By-Doing», erzählt Selinger.
Spitalbrände als Auslöser für Forschung
Ausgelöst wurde die Forschung an der Rettungsbox von einem Brand auf einer Neugeborenenabteilung. Wie oft es in Schweizer Spitälern brennt, ist nicht bekannt. Im Nachbarland Deutschland, wo dies genau überwacht wird, brennt es im Schnitt einmal pro Woche in einem Spital. Deshalb wurde das erste Modell der Lifebox so entwickelt, dass auch Überwachungsgeräte für Frühchen in der Rettungsbox mittransportiert werden können.
Kostenpunkt für eine Rettungsbox: Rund 15'000 Franken. Man müsse einberechnen, wie viel Forschung hinter dem Projekt stehe, gibt CEO David Selinger zu bedenken. «Auf den ersten Blick ist das viel Geld. Für eine Stützpunktfeuerwehr wie Aarau macht der Betrag und die Anschaffung der Box aber Sinn.»
Diese Rettungsbox wird sich unter den Feuerwehren verbreiten.
David Bürge, Feuerwehrkommandant der Feuerwehr Aarau, sieht einen vielfältigen Einsatz der Box: «Sie ist überall dort sinnvoll, wo man Säuglinge antrifft, auf der Neonatologie, in einer Kita, in einem Haus. Diese Rettungsbox wird sich nun unter den Feuerwehren verbreiten», ist er überzeugt.
Man habe interessierte Feuerwehren, gerade im Nachbarland Deutschland, heisst es bei Neorescue weiter. Deren Einkaufspläne würden aber erst realisiert, wenn man eine Schweizer Feuerwehr vorweisen könne, die die Box wirklich gekauft hat. Das ist jetzt der Fall. «Wenn wir nächstes Jahr 20 bis 30 Boxen verkaufen können, ist das Ziel erreicht», sagt CEO Selinger. Er und die anderen vier Mitglieder des Gründerteams hoffen, dass die Coronapandemie ihre Verkaufsbemühungen nicht ausbremst.