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In der Schweiz wird das Methadon knapp
Aus Rendez-vous vom 05.01.2023. Bild: Imago
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Aargauer Firma verliert Lizenz Methadon wird in der Schweiz knapp

Swissmedic sistiert der Pharmafirma, die Methadon und ein Medikament für Spitäler herstellt, die Bewilligung.

«Eine Katastrophe», «eine unangenehme Situation»: Zwei Aussagen, die sich auf ein Bundesgerichtsurteil zu einer Aargauer Pharmafirma beziehen.

Das Urteil betrifft zum einen Methadon-Tabletten, die ehemals Heroinsüchtige erhalten. Zum anderen geht es um ein Medikament, das für Operationen in Spitälern unerlässlich ist.

Hausdurchsuchung deckt Ungereimtheiten auf

Beide Produkte stellt in der Schweiz im grossen Stil nur die Aargauer Pharmafirma Amino her. Doch diese hat seit Anfang Dezember keine Betriebsbewilligung mehr. Das Schweizer Heilmittelinstitut Swissmedic hat sie dem Unternehmen weggenommen, das Bundesgericht hat diesen Entscheid bestätigt.

Fabrikhalle
Legende: Blick auf das Werksgelände der Firma Amino in Gebenstorf AG. SRF / Stefan Ulrich

Den Entscheid stützt Swissmedic auf eine Inspektion und eine Hausdurchsuchung. Dabei kamen Ungereimtheiten zum Vorschein. «Es sind keine Bagatellfälle, es sind Nachlässigkeiten, die nicht mehr tolerierbar sind», sagt Lukas Jaggi, Sprecher von Swissmedic.

Das deckte die Hausdurchsuchung auf

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Bei einer Hausdurchsuchung an einem ehemaligen Standort von Amino in Neuenhof (AG) waren zahlreiche Chemikalien gefunden worden. Die Räume waren dabei frei zugänglich. Die Türen und Fenster waren unverschlossen, beschädigt oder fehlten gleich ganz.

Das Bundesgericht verlangt nun von der Firma, dass eine neue sogenannt fachtechnisch verantwortliche Person angestellt wird. Solange dies nicht geschehen ist, bleibt die Bewilligung für Amino sistiert.

Dass nun die einzige Schweizer Produzentin von Methadon-Tabletten ausfällt, besorgt Thilo Beck von der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin. «Das ist eine Katastrophe», stellt er klar. Für 9000 Personen in der Schweiz würden schon bald die Methadon-Tabletten fehlen.

Mann gibt Ampulle
Legende: Methadon wird an Süchtige abgegeben, in unterschiedlicher Dosierung. Imago / epd-bild Juergen Blume

Methadon könnte auch aus dem Ausland importiert werden. Dies sei aber nicht so einfach, sagt Enea Martinelli vom Schweizer Apothekerverband. «Es ist teuer. Jede Bewilligung für einen Import kostet 200 Franken. Man kann dies nicht über eine zentrale Stelle machen.»

«Patientinnen sind verzweifelt»

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Methadon-Tabletten sind ein wichtiges Medikament für ehemals Süchtige von Opioden, beispielsweise Heroin. Die Patienten seien verunsichert, sagt Thilo Beck von der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin: «Wir haben zunehmend Patientinnen und Patienten, die verzweifelt sind. Sie sind auf diese Medikamente angewiesen.»

Die etwa 9000 Personen hätten sich über Jahre in der Behandlung stabilisiert, sagt Beck. «Wenn das plötzlich gefährdet ist, ist das eine Katastrophe. Ihre Existenz, die Stabilität ihres Lebens, ist infrage gestellt.»

Methadon gebe es zwar auch in flüssiger Form. Das sei aber nicht so einfach, so Beck. Denn nicht alle Patientinnen und Patienten würden Methadon in Flüssigform gut vertragen. Die Kapselform wiederum müsse von den Apotheken für alle Patienten einzeln hergestellt werden – das sei im System praktisch nicht umsetzbar. Daher sei die einzige Lösung, dass es Parallelimporte aus dem Ausland gäbe, schliesst Beck. Man sei schon mit der Heilmittelbehörde Swissmedic im Kontakt: «Wir hoffen, dass sie die notfallmässige Zulassung jetzt unter Hochdruck prüft.»

Deshalb müssten die Betroffenen Methadon wohl bald in einer anderen Form einnehmen. Zum Beispiel flüssig. Oder Apotheken stellen selber Methadonkapseln her, in dem sie das flüssige Mittel in Kapseln abfüllen. Also genau das, was bislang die Firma Amino machte.

Medikament muss importiert werden

Beim zweiten Produkt, das die Firma Amino nicht mehr herstellen darf, handelt es sich um Succinolin. Es sorgt dafür, dass die Muskeln erschlaffen, was für Operationen unerlässlich ist. Den Spitälern bleibt nun nichts anderes übrig, als das Medikament aufwändig im Ausland einzukaufen.

«Es ist eine unangenehme Situation, der Aufwand ist grösser und die Verrechnung wird auch schwierig werden», sagt Peter Wiedemeier, Chefapotheker beim Kantonsspital Baden. Man könne Succinolin aber aus dem Ausland beziehen, vor allem aus Deutschland oder Spanien und Portugal. Enea Martinelli vom Schweizer Apothekenverband sagt, dass der Bund bei einem Händler in Deutschland ein Kontingent reserviert habe.

Eigentümer wehrt sich

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Edmund Wyss ist Eigentümer des Pharmaunternehmens Amino, das nun keine Betriebsbewilligung mehr hat. Er sieht sich als Opfer, wie er gegenüber Radio SRF sagt. «Swissmedic behandelt mich wie einen Schwerverbrecher, was ich nicht bin.» Die Heilmittelbehörde habe auch keine Hand geboten für eine Lösung, kritisiert er.

Swissmedic wehrt sich gegen diese Anschuldigungen. «Über 1200 Firmen haben eine Betriebsbewilligung von Swissmedic. Wir behandeln alle gleich», sagt Sprecher Lukas Jaggi. Ausserdem sei der temporäre Entzug der Betriebsbewilligung vom Bundesgericht bestätigt worden, was zeige, dass Swissmedic korrekt gehandelt habe.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 5.1.23, 6:31 Uhr;

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