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Abschuss oder nicht? Der Streit um den Luchs von Kandergrund eskaliert

Im Kanton Bern hat ein Luchs Schafe attackiert. Nun wird der Abschuss gefordert und die Jagdinspektorin angegriffen. Ein Überblick.

Um was geht es? Ein Luchs sorgt im Berner Oberland für Aufregung: Auf der Alp Tschingel bei Kandergrund hat das Tier mehrere Schafe gerissen. Nun gehen die Wogen hoch. Im Fokus: Der Kanton Bern und seine Wildhüterin.

Was bewegt die Leute? Die betroffenen Schafhalterinnen und Schafhalter fordern den Abschuss – und stellen die Eignung der kantonalen Jagdinspektorin infrage. Die «Berner Zeitung» hat als Erste darüber berichtet. Der zuständige Regierungsrat Christoph Ammann wurde in einem Brief aufgefordert, zu handeln. Eine Antwort wird von den betroffenen Schafhalterinnen und Schafhaltern auf Anfang August erwartet, wie sie gegenüber SRF sagen.

Was sind die Forderungen der Schafhalterinnen und Schafhalter? Die Halter kritisieren die Behörden scharf: Jagdinspektorin Nicole Imesch sei nicht erreichbar gewesen, habe Abmachungen nicht eingehalten und zeige «null Verständnis». Dabei habe man alles versucht – inklusive Vergrämungsmittel. Die Tierhalter verlangen den sofortigen Abschuss des Luchses. «Dieser Luchs muss weg – noch diesen Sommer», heisst es. Sonst werde der betroffene Alpbesitzer 2026 keine Tiere mehr auf die Alp bringen. Die Vereinigung zum Schutz der ländlichen Lebensräume vor Grossraubtieren im Kanton Bern fordert, dass der Kanton seinen Spielraum nutzt und den Luchs zum Abschuss freigibt – obwohl er weniger als die nötigen 15 Tiere gerissen hat.

Luch springt aus einer Kiste
Legende: Der Luchs starb in der Schweiz im 19. Jahrhundert aus. 1971 wurden die ersten Luchse wieder ausgewildert. Immer wieder kam es danach zu Auswilderungen oder Umsiedlungen – wie hier 2001 im Tösstal. Keystone/ARNO BALZARINI

Was sagen die Behörden? Der Kanton verweist auf die geltenden Regeln: Für einen Abschuss brauche es eine gewisse Anzahl Risse – diese sei noch nicht erreicht. Auch eine Ausnahme sei nicht möglich. Das Verhalten des Luchses sei zwar auffällig, aber nicht ausreichend dokumentiert. Der Bund müsste einbezogen werden, falls der Kanton eine Ausnahme anstrebt. Und da habe man Signale erhalten, dass der Bund sich negativ zu einem vorzeitigen Abschuss äussert. Zu den weiteren Vorwürfen gegenüber der Jagdinspektorin will sich der Kanton derzeit nicht äussern.

Was sagt der Experte? Laut Fridolin Zimmermann von der Stiftung Kora sind Luchsangriffe auf Nutztiere selten. Normale Luchse ernähren sich hauptsächlich von Rehen und Gämsen, so der Wildtierbiologe von der Organisation, welche sich um das Monitoring der Grossraubtiere in der Schweiz kümmert. Nur in Ausnahmefällen spezialisieren sich einzelne Tiere auf Nutztiere. Der Luchs verursacht deutlich weniger Schäden als der Wolf. Im Mittelland können verwaiste Jungluchse gelegentlich Probleme verursachen, indem sie leicht zugängliche Beutetiere wie Kaninchen oder Hühner jagen. Für Menschen stellt der Luchs keine Gefahr dar.

Nahaufnahme eines Luchses mit aufmerksamem Blick.
Legende: Dass der Luchs Schafe reisst, sei äusserst selten, so der Experte. DPA/Byline SOEREN STACHE

Wie kann man Tiere vor dem Luchs schützen? In Risikogebieten, die an Wälder grenzen, können Herdenschutzhunde in Kombination mit Elektrozäunen Nutztiere effektiv schützen. Flächendeckender Schutz sei aufgrund der geringen Angriffszahlen nicht nötig, so Fridolin Zimmermann von Kora.

Luchspfoten
Legende: Ein Wilderer schickte im Januar 2000 dem Kanton anonym vier Luchspfoten zu. Dies aus Protest gegen das Wildtier. Keystone/ALESSANDRO DELLA VALLE

Wann sorgte der Luchs für Schlagzeilen? Nur selten gibt der Luchs Anlass für Diskussionen – im Gegensatz zum Wolf. Das bestätigt auch der Wildtierbiologe. Ein aufsehenerregender Fall im Kanton Bern ist 25 Jahre her. Aus Protest gegen den Luchs schickte ein Wilderer den Behörden anonym Luchspfoten zu.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 23.7.2025, 12:03 Uhr ; 

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