Die Vorlage Strassenfonds (NAF):
Verkehrsministerin Doris Leuthard bekommt zum Auftakt ein Töpfchen mit Primeln. «Eines der letzten in der Schweiz, denn alle anderen werden ja zubetoniert», behauptet Moderator Jonas Projer.
Abstimmung 12.02.
«Wo denken Sie hin», meint die Bunderätin, die den Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr (NAF) verteidigt. Das Strassennetz sei zur Hälfte in den 1970er Jahren gebaut worden und koste über 2,5 Milliarden Franken für Betrieb und Unterhalt pro Jahr. «Und jetzt müssen wir in die Engpässe investieren wegen der massiven Verkehrszunahme und den über 22‘000 Staustunden pro Jahr.»
Mit dem NAF werde gezielt ausgebaut und zwar an den Orten mit den grössten Staus. «Das erfolgt etappiert und es ist kein Zubetonieren. Nichts zu machen ist die schlechtere Lösung.»
Die Argumentationslinien
Argument Kosten für Infrastrukturen:
Balthasar Glättli sieht in der Vorlage vor allem eine kostspielige Strassenoffensive. Sie sei nicht ausgeglichen zum Fonds für die Bahninfrastruktur (FABI): Autofahren werde nicht teurer, aber beim Bahnverkehr hätten die Leute höhere Billetpreise zu bezahlen.
Für Edith Graf-Litscher greift man jetzt mit dem NAF ganz einfach «mit der grossen Kelle in die Bundeskasse».
Thierry Burkart betont die Bedeutung aller Verkehrsträger, Strasse wie Bahn, darum sei auch FABI als Infrastruktur-Fonds vom Volk angenommen worden. Aber jetzt brauchte es auch etwas für die Strassen-Infrastruktur.
Nachdem wir über fünf Milliarden pro Jahr in die Bahn investieren, braucht es jetzt auch drei Milliarden für die Strasse.
Argument digitale Zukunft:
Glättli betont, dass neue Strassen keine Lösungen für den Verkehr bringen. Vielmehr müsse man auf Technik und die Digitalisierung setzen und intelligentes Verkehrsmanagement machen: «In 5 bis 10 Jahren koordinieren sich Fahrzeuge auf der Strasse automatisch untereinander.»
Burkart gibt ihm recht, aber die Digitalisierung koste auch Geld, das aus dem NAF finanziert werden kann. Abgesehen davon bringe die Digitalisierung aber auch mehr Verkehr mit sich, weil jedermann im Internet bestelle und auf eine rasche Heimlieferung zähle.
Der NAF ist eine langfristige Finanzierung für Nationalstrassen, aber auch für Verkehr in den Agglomerationen, der auch den ÖV umfasst.
Argument Agglomerationsverkehr:
Die Agglomerationsprogramme sind Teil des NAF für die ÖV-Erschliessung und die Verbesserung der Fuss- und Velo-Infrastruktur.
Diese Agglomerationsprogramme machten aber nur 10 Prozent des NAF aus, sagt Glättli und betont, dass 90 Prozent davon für «Autos und Beton» gebraucht werden. Das sei genau gleich viel Geld, das heute schon aus dem bestehenden Infrastrukturfonds kommt.
Nur laufe dieser Infrastrukturfonds nur noch bis 2027, erinnert Renate Amstutz vom Städteverband, und umfasse heute nur noch 200 Millionen Franken. «Darum braucht es den NAF unbedingt und dringend.»
Bei einer Annahme des NAF befürchtet Matthias Müller vom VCS, dass im Regionalverkehr Leistungen gestrichen oder aber die Billetpreise steigen werden.
Agglomerationen müssen auch in Zukunft unterstützt werden, aber dafür braucht es den NAF nicht.
Viel Geld aus vielen Quellen zweckgebunden
Das Geld für Bau und Unterhalt der Nationalstrassen soll künftig aus dem NAF kommen. Leuthard betont, dass damit auch 400 Millionen Franken für Strassen in den Kantonen aus der Bundeskasse mitfinanziert werden. Mehrheitlich hätten das ja die Automobilisten mit der Autobahnvignette und dem Mineralölsteuerzuschlag bezahlt. Dies werde jetzt im NAF zweckgebunden.
Graf-Litscher wehrt sich gegen diese Argumentation. Alle würden für Bildung bezahlen, ob man Kinder habe oder nicht. «Wir dürfen nicht dahin gehen, dass jeder nur noch das zahlt, wovon er direkt profitiert.»
Der NAF ist finanzpolitisch, verkehrspolitisch und klimapolitisch falsch.
Wo muss für die Finanzierung des NAF gespart werden?
Für den NAF sind jährlich Bundesmittel von rund 650 Millionen Franken eingeplant, die für andere Ausgaben fehlen.
Das ist für Burkart aber kein Argument, weil der Bundeshaushalt von Jahr zu Jahr wachse. «Weil der Bund mehr einnimmt, muss das gar nicht eingespart werden.»
Die letzte Frage
Trotzdem rechnet Glättli damit, dass bei Bildung, dem öffentlichen Regionalverkehr gespart werde, aber wohl kaum bei Militär und Landwirtschaft.
Auch Graf-Litscher hat grosse Bedenken, dass die Autolobby im Parlament beim regionalen Personenverkehr sparen werden.
Die 650 Millionen seien schon in allen Finanzplänen berücksichtigt, erklärt Leuthard: «Der Bundesrat denkt eben voraus. Es tut nirgends weh». Bei der Bahn liege der Beitrag des Bundes pro Jahr gar bei 2,2 Milliarden.
Resonanz in den sozialen Medien
Um junge Erwachsene zur politischen Beteiligung zu bewegen, sitzen mit Gülsha Adili und Bendrit Bajra zwei Persönlichkeiten in der «Arena», die die Debatte in die sozialen Medien bringen sollen.
«Die Kommunikation dort muss mit mir selber zu tun haben und auch emotional sein», erklärt Adili. Die Diskussion in den sozialen Medien über den NAF zeige, dass «die meisten Stau gar nicht kennen, weil sie nur den ÖV nutzen. Aber Zugbillette könnten billiger werden.»
Auch Bajra erreicht im Internet die Leute nur dann, «wenn ich selber meine Meinung dazu sage.» Auf seine Postings kommentierten viele Autofahrer, «dass man das mit dem NAF machen und ausbauen sollte, weil es oft Stau gibt.»