Am 18. Mai stimmt die Genfer Stimmbevölkerung über die SVP-Initiative «J’y vis, j’y paie» ab. Sie würde eine Genfer Besonderheit in der Besteuerung abschaffen – zum Nachteil der Städte. Unser Westschweiz-Korrespondent erklärt, um was es geht.
Worum geht es den Initianten?
Die SVP will eine Besonderheit im Genfer Steuersystem abschaffen: Wer in Genf an einem Ort wohnt und an einem anderen Ort arbeitet, zahlt heute den grösseren Teil der Steuern am Arbeitsort, den kleineren am Wohnort. Nach dem Willen der Initianten sollen Steuern künftig nur noch am Wohnort gezahlt werden – so wie in allen anderen Kantonen.
Die Initiantinnen und Initianten finden das fairer, weil man am Wohnort mehr Infrastruktur benütze, zum Beispiel, wenn die Kinder in die Schule gehen. Zudem sei es demokratischer, wenn man die Steuern dort zahle, wo man wohne. Das Stimm- und Wahlrecht sei an den Wohnort gebunden. Und nur dort könne man mitbestimmen, wie das Steuergeld verwendet werde.
Wieso ist die Linke dagegen?
Die linken Parteien und die Gewerkschaften befürchten eine Umverteilung von ärmeren Städten hin zu reichen Vororten. Wenn nur noch am Wohnort besteuert wird, könnten die kleinen, reichen Gemeinden ihre Steuern noch mehr senken. Gleichzeitig müssten die grossen, ärmeren Gemeinden ihre Steuern erhöhen oder Leistungen kürzen.
Das ist in den Augen der Linken besonders unfair. Denn diese grösseren Gemeinden, allen voran die Stadt Genf, würden viele Leistungen erbringen, von denen auch die reichen Vororte profitierten. Schätzungen gehen davon aus, dass die Stadt Genf bis zu 50 Millionen Franken Steuereinnahmen verlieren könnte, Lancy mit seinen gut 36'000 Einwohnerinnen und Einwohnern bis zu zehn Millionen. Dagegen würde zum Beispiel der Villenvorort Cologny rund fünf Millionen mehr einnehmen.
Was will der Gegenvorschlag?
Auch der Gegenvorschlag will, dass nur noch am Wohnort Gemeindesteuern bezahlt werden müssen. Er fordert aber, dass ein neuer innerkantonaler Finanzausgleich beschlossen wird, der die Auswirkungen der Umstellung beim Steuerrecht abfedert, und zwar bevor die Initiative in Kraft tritt.
Im Genfer Kantonsparlament hat dieser Gegenvorschlag eine hauchdünne Mehrheit gefunden. Deshalb wird am 18. Mai auch über ihn abgestimmt. Die Linke lehnt den Gegenvorschlag ab. Es sei nicht garantiert, dass dieser die Umverteilung von armen hin zu reichen Gemeinden vollständig ausgleiche.
Was hat das mit den Grenzgängerinnen und Grenzgängern zu tun?
Zunächst nichts. Der Kanton Genf würde die über hunderttausend Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die in Frankreich leben und im Kanton Genf arbeiten, weiterhin besteuern und einen kleinen Teil dieser Einnahmen nach Frankreich überweisen.
Allerdings fürchten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative, dass die französische Regierung nicht akzeptieren würde, dass Genf die eigene Bevölkerung nicht mehr am Arbeitsort besteuern würde, die Grenzgängerinnen und Grenzgänger aber schon. Die Gegnerinnen und Gegner der Initiative warnen, Genf könnte ein für den Kanton vorteilhaftes Arrangement mit Frankreich verlieren.