Am kommenden Abstimmungssonntag wird in der Freiburger Gemeinde Düdingen ein Generalrat konstituiert. Ein solcher Generalrat, auch Gemeindeparlament genannt, ersetzt die sonst übliche Gemeindeversammlung.
Vereine crashen Mehrheitsverhältnisse
Im Ort im Sensebezirk mit rund 7800 Einwohnern müssen 50 Mitglieder dieses neu zu bestellenden Gemeindeparlaments gewählt werden. Düdingen führt somit eine Institution wieder ein, die es bereits in den 1980er-Jahren gegeben hat.
Der Düdinger Generalrat wird aufgrund einer Initiative auf Gemeindeebene erstellt. Die Initianten sind der Meinung, die Entscheide an den üblichen GV (Gemeindeversammlungen) seien nicht repräsentativ.
Diese Wahrnehmung bestätigt auch der Düdinger Gemeindeammann Kuno Philipona – zumindest indirekt: Die Mitglieder-reichen Vereine konnten bis anhin Entscheide an der GV beeinflussen. «Wenn ein Geschäft einem bestimmten Verein wichtig ist, mobilisiert dieser seine Mitglieder, die dann an der Versammlung entsprechend abstimmen», erklärt Philipona.
Grundsätzlich ist der Gemeindeammann überzeugt, dass die Beschlüsse an den GV dem jeweiligen Volkswillen entsprachen. Dennoch würde seiner Ansicht nach die Einführung des Generalrates die Entscheide in Düdingen sachlicher machen und verhindern, dass die Geschäfte beeinflusst werden können.
Gähnende Leere an Gemeindeversammlungen
Mit dem Generalrat löst Düdingen ein Problem, mit dem auch andere Gemeinden zu kämpfen haben: Die Beteiligung an den Gemeindeversammlungen ist meistens sehr schlecht. An zahlreichen GV kommt oft nur noch das Stammpublikum, Stimmbürger also, die unabhängig der traktandierten Themen an allen Versammlungen erscheinen. Und ein solcher Trend ist nicht nur bitter für die Gemeinderäte, welche die Geschäfte für die GV vorbereiten und vortragen.
Auch aus staatsrechtlicher Sicht ist dies fragwürdig, denn Entscheide, die mit geringer Beteiligung gefällt werden, müssen nicht unbedingt dem Willen der Mehrheit entsprechen. Selbstverständlich kann der Standpunkt «Selber schuld» vertreten werden. Und: Einige Gemeindeschreiber – wie zum Beispiel Marcel Wehrli aus Fehraltorf (ZH) – argumentieren, dass eine niedrige Teilnehmerzahl bei den Gemeindeversammlungen auch ein Zeichen dafür ist, dass die Bürger mit der Politik der Gemeinde zufrieden sind.
Junge Einwohner sollen teilnehmen
Doch mancher Gemeinderat würde sich wohl sicherer fühlen, wenn die Entscheide von einer grösseren Anzahl Personen getragen würden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Gemeindebehörden zu bisweilen ungewöhnlichen Mitteln greifen, um die Teilnehmerzahl an Gemeindeversammlungen zu erhöhen. So läuft zurzeit in Fehraltorf ein Projekt, in dem Kostenbeteiligungsgutscheine für den Babysitter abgegeben oder kleine Preise unter den Teilnehmenden verlost werden.
Damit sollen vor allem die jüngeren Einwohner animiert werden, wie der Fehraltorfer Gemeindeschreiber Wehrli erklärt. «Man muss auch ein wenig vorausdenken», betont er und meint damit, dass so eventuell künftige Gemeinderäte gewonnen werden können. Für die Einführung eines Gemeindeparlamentes wie in Düdingen sei die Gemeinde im Kempttal mit gut 6300 Einwohnern zu klein.
Den Erfolg erachtet Wehrli bis anhin für bescheiden. Vor den Massnahmen seien rund 80 Personen an die Gemeindeversammlung gekommen. Nun zähle man bis zu 110 Teilnehmende. Doch das Projekt mit den Gutscheinen fürs Erscheinen werde zumindest in diesem Jahr fortgesetzt.
Köder für Stimmbürger – staatsrechtlich bedenklich?
Doch was ist aus staatsrechtlicher Sicht von solchen Massnahmen zu halten? Bernhard Ehrenzeller von der Universität St. Gallen steht solchen Massnahmen skeptisch gegenüber. Selbstverständlich müsse alles dafür getan werden, damit der Bürger vollumfänglich informiert sei, sagt der Professor für Öffentliches Recht. Die Stimmbürger müssten sich über die Konsequenzen eines Geschäfts im Klaren sein.
Zusätzliche Massnahmen, die wenig mit den Geschäften der Gemeinde zu tun haben, seien aber unangebracht, betont der St. Galler Professor. «Ob dies das Problem der mangelnden Beteiligung löst, ist fraglich». Denn die fehlenden Leute an staatspolitischen Ereignissen seien ein allgemeines Problem. Auch die Stimmbeteiligung bei Urnenabstimmungen ist oft miserabel. «Und da hat bisher niemand die Legitimation solcher Entscheide in Frage gestellt», argumentiert Ehrenzeller. Die Fernbleiber würden es eben in Kauf nehmen, dass für sie entschieden werde.
Wenn Gutscheine, dann immer Gutscheine
Nicht so kritisch sieht es der emeritierte Rechtsprofessor der Universität Zürich, Tobias Jaag. Grundsätzlich sind für ihn solche Aktionen legitim. Selbstverständlich muss die Vergabe solcher Gutscheine im Rahmen der Ausgabenkompetenzen der Gemeinde bleiben und eine stete Aktion darstellen. Für unzulässig hält Jaag, wenn die Gemeinde nur bei einer Auswahl von GV solche Gutscheine abgibt. Damit würde man auf die Entscheidungsfindung Einfluss nehmen.
Auf der anderen Seite sei eine Beeinflussung allein schon durch die Terminsetzung einer GV gegeben, relativiert Jaag seine Ausführung. Zum Beispiel wenn diese kurz vor den Ferien oder an einem wichtigen Abend einberufen wird.
Den Vorwurf, es seien zum Teil gekaufte Entscheide, kann Jaag nicht bestätigen. «Wenn Babysitter-Gutscheine abgegeben werden, ist das ja lediglich eine Erleichterung für die Teilnahme an einer Gemeindeversammlung», sagt Jaag. Für Düdingen ist das unerheblich, dort heisst die Devise: Generalräte statt Gutscheine.