«Es geht um die Existenz der SRG»: Mit diesen Worten stieg Medienministerin Doris Leuthard am 11. Dezember 2017 in den Abstimmungskampf zur Volksinitiative «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren» ein.
Zu diesem Zeitpunkt war die Debatte über «No Billag» allerdings bereits in vollem Gang. Und das «mit einer kaum je beobachteten Intensität», wie der Politologe Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern sagt: «Alle haben irgendeine Meinung zur SRG, und auch alle Journalistinnen und Journalisten sind direkt oder indirekt betroffen.»
Eine Mehrheit wünscht sich einen Sparauftrag an die SRG.
Die Folge: Eine ungewöhnlich lautstark und intensiv geführte Debatte, die schon Monate vor der Abstimmung in den (sozialen) Medien und Kommentarspalten tobte.
Im frühen Stadium der Meinungsbildung habe die Initiative durchaus Sympathien gehabt, so das Forschungsinstitut gfs.bern. Und: «Zunächst suggerierten private Medienhäuser, dass es eine Mehrheit für die Vorlage geben könnte», sagt Golder.
Erst dann hätten die Gegner und Medienministerin Leuthard Stellung bezogen und ihre Argumente vorgebracht. Offenbar mit Erfolg: Die erste von zwei SRG-Umfragen sieht das Nein-Lager derzeit klar mit 60 Prozent (gegenüber 38 Prozent Befürwortern) in Front.
Sparen…
Was nach einem ungewöhnlichen Stimmungswandel klingt, trete bei vergleichbaren Vorlagen häufig ein, führt Politologe Golder aus: «Bei Initiativen, die einen radikalen Umbau fordern, ist es typisch, dass Nein-Argumente in der Meinungsbildung zunehmend an Bedeutung gewinnen.» Dieser Effekt sei bei der «No Billag»-Initiative nun deutlich zum Tragen gekommen.
Am stärksten punkten können die Befürworter der Initiative nach wie vor mit einem zentralen Argument: Die SRG sei zu gross geworden, solle sparen und ihre Leistungen reduzieren.
…und bewahren
Dem konnten die Gegner der Vorlage gleich mehrere zugkräftige Argumente entgegenstellen. Sie weisen mit Erfolg darauf hin, dass die Qualität des Schweizer Mediensystems gefährdet sei; schliesslich fürchten sich mittlerweile viele Stimmberechtigte vor politischer Einflussnahme durch finanzkräftige Investoren aus dem Ausland, sollte die Initiative angenommen werden.
«Als Gegenposition dazu hat man auch das Gefühl, dass die SRG etwas Gutes leistet und man das erhalten will», erklärt Golder.
Schliesslich spielt auch die Solidarität zwischen den Landesteilen stärker, als es manche Beobachter im Vorfeld des Abstimmungskampfes angenommen hatten. Golder: «In der Deutschschweiz ist die Unterstützung für die Initiative zwar etwas grösser als in den anderen Landesteilen. Setzt sich der Trend fort, wird es aber auch hier eine deutliche Mehrheit dagegen geben.» Zudem fürchten viele der Befragten auch das Ende jener lokalen TV- und Radiostationen, welche ebenfalls von den Gebührengeldern profitieren.
«Problemdruck» nicht gross genug
Zwischen Gegnern und Befürwortern der Vorlage verläuft eine klare parteipolitische Spaltung. Vereinfacht ausgedrückt: SVP-Wähler gegen den Rest. «Die SVP Schweiz hat ihre Parole zwar noch nicht gefasst. Aber Exponentinnen und Exponenten der Partei haben sehr stark Position bezogen. In diesen Kreisen will man eine klare private Lösung und ist gegenüber der Leistung der SRG oft kritisch»,erklärt Golder.
Dieser «Problemdruck», wie es Lukas Golder ausdrückt, ist offensichtlich bei Stammwählern der restlichen Parteien weniger stark ausgeprägt: Je weiter links, desto grösser fällt die Ablehnung für «No Billag» aus. Bei den Grünen sind es satte 88 Prozent.
Die «Netflix Generation» versteht die Logik von Gebühren schlichtweg nicht mehr.
Eine Besonderheit zeigen die Ergebnisse der Umfrage bei den jungen Stimmberechtigten: Die unter 30-Jährigen befürworten derzeit die Abschaffung der TV- und Radiogebühren.
Golder führt das auf eine verbreitete Gratismentalität bei den Jungen zurück: «Sie konsumieren Medien fundamental anders. Sie beziehen nicht nur Informationen, sondern oft auch Filme oder Musik gratis aus dem Internet.» Die «Netflix Generation» verstehe die Logik von Gebühren schlichtweg nicht mehr.
Und jetzt die grosse Wende?
Kann eine Allianz von SVP-Wählern und Jungen der «No Billag»-Initiative doch noch zum Durchbruch verhelfen? Das Forschungsinstitut gfs.bern hält dieses Szenario derzeit für eher unwahrscheinlich. Insbesondere, weil die Meinungsbildung in der Bevölkerung bereits weit fortgeschritten ist: 74 Prozent der Befragten haben bereits eine feste Absicht geäussert, ob sie Ja oder Nein stimmen wollen.
Und Politikwissenschaftler Golder weist auf das meinungswirksamste Argument im Abstimmungskampf hin: «Eine Mehrheit der Personen, die an die Urne gehen will, möchte gegen die Initiative stimmen. Aber sie möchte auch, dass die SRG spart, weil sie zu gross geworden ist».
Eine Wende in der heissen Phase des Abstimmungskampfes wäre aber eine Überraschung, schliesst Golder: «Die Chancen der Initiative sind nicht mehr gross. Es sei denn, die Menschen schiessen alle anderen Befürchtungen in den Wind und stimmen nur noch über den Sparauftrag an die SRG ab.»