Eine simple Frage, zwei völlig unterschiedliche Weltanschauungen. Von der Entscheidung, wer für eine Abtreibung aufkommen muss, scheiden sich in der «Abstimmungs-Arena» die Geister.
Wer bezahlt?
«Jedes Jahr finanzieren wir mit unseren Prämien 11‘000 Abtreibungen», beginnt die Co-Präsidentin des Initiativ-Komitees, Valérie Kasteler-Budde (EVP/GE), die Diskussion darüber, wer für die Kosten einer Abtreibung berappen muss. «Das ist wie eine Kleinstadt, die jährlich verschwindet. Das ist völlig unzumutbar.» Deshalb soll jede Frau die medizinischen Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs selbst bezahlen. Sie fordert, dass die Finanzierung von Abtreibungen aus dem Grundkatalog der Krankenversicherung gestrichen wird.
Bundesrat Alain Berset (SP/FR) widerspricht. Es werde immer Abtreibungen geben. «Doch das Volk hat vor zehn Jahren eine Regelung angenommen, die die Situation für Frauen in einer schwierigen Situation reguliert», führt der Gesundheitsminister aus. Dadurch habe die Schweiz eine tiefere Schwangerschaftsabbruchrate als alle umliegenden Länder. Zur Kostenfrage nimmt die St. Galler FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter Stellung: «Der finanzielle Aufwand der Abtreibungen ist minimal. Wir sprechen von 0,3 Promille der Gesamtausgaben der Grundversicherung». Umgerechnet ergäbe das einen Franken pro Prämienzahler. Der Kostentreiber im Gesundheitswesen sei vielmehr der medizinische Fortschritt.
Entsolidarisierung oder Eigenverantwortung?
Nationalrätin Andrea Geissbühler (SVP/BE) fordert dennoch eine Zusatzversicherung für Abtreibungen: «Viele Menschen in der Schweiz können diese Grundversicherung nicht mehr bezahlen. Zudem bin ich für mehr Eigenverantwortung und weniger Staat». Karin Keller-Suter (FDP/SG) ist gegen diese «totale Individualisierung». Der Egoismus in unserer Gesellschaft sei schon gross genug. Heute gehe es um Abtreibungen bei Frauen, morgen seien es die Raucher und die Übergewichtigen, die aus der Grundversicherung ausgeschlossen werden sollen.
Was ihr wollt, ist ein Rückschritt ins vorletzte Jahrhundert: Sex nicht vor der Ehe und nach der Heirat gibt es Sex, aber nur im Dunkeln.
Die Kosten sind eine Sache, doch schwingen auch moralische Bedenken mit. «Die Krankenkasse soll Leben retten. Es ist verwerflich, wenn wir damit Abtreibungen bezahlen», sagt Ständerat Peter Föhn (SVP/SZ). Der Glarner SVP-Ständerat This Jenny ist empört über die Aussagen seines Parteikollegen: «Ich verstehe nicht, dass man bei den Ärmsten von den Ärmsten den Hebel ansetzt. Was ihr wollt, ist ein Rückschritt ins vorletzte Jahrhundert: Sex nicht vor der Ehe und nach der Heirat gibt es Sex, aber nur im Dunkeln.»
Kirche uneins
Für Daniel Beutler, Arzt und EDU-Politiker, ist hingegen klar: «Wenn Sie den göttlichen Funken in einem Leben einmal gesehen haben, dann können Sie es nicht einfach wegwerfen.» Auch Giuseppe Gracia, Mediensprecher des Bistums Chur, moniert eine «Wegwerfkultur» bezüglich der Abtreibungen und zitiert damit Papst Franziskus.
Wenn sie den göttlichen Funken in einem Leben gesehen haben, dann können sie es nicht einfach wegwerfen
Doch die Kirche ist sich bezüglich dieser Abstimmung uneinig. Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (CVP/ZH) wirft Gracia vor, er instrumentalisiere den Papst für seine Sache. Und Simone Curau-Aeppli (CVP/TG), die im Vorstand des katholischen Frauenbundes ist, findet diese Initiative keine richtige Lösung. Eine privat finanzierte Abtreibung sei für die Frauen nicht besser.
Nach dieser hitzigen Diskussion in der «Arena» hat das Stimmvolk am 9. Februar 2014 das letzte Wort an der Urne.