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Auf Kosten der Armen: Kanton Bern will 85-Jährige pfänden
Aus Kassensturz vom 13.11.2018.
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Administrativer Leerlauf Kanton Bern droht mittelloser AHV-Rentnerin mit Pfändung

Das Wichtigste in Kürze

  • Die 85-jährige Yvonne H. lebt am Existenzminimum. Sie erhält deshalb Ergänzungsleistungen. Zusammen mit der AHV-Rente reicht es knapp zum Leben.
  • Lange Jahre musste die Rentnerin keine Steuern zahlen, sie erhielt von Kanton und Gemeinde Steuererlass.
  • Im Jahr 2016 änderte der Kanton Bern diese Praxis, Yvonne H. sollte von nun an Steuern bezahlen. Jetzt droht der Kanton Bern mit Pfändung, um diese einzutreiben.
  • Berner Politiker wollen diesen Behörden-Leerlauf stoppen: AHV-Renten und Ergänzungsleistungen seien gar nicht pfändbar.

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Die Pfändungsandrohung entsetzt Yvonne H.
Aus Kassensturz vom 13.11.2018.
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Seit Yvonne H. die Zahlungsbefehle der Berner Steuerbehörden bekommen hatte, hat sie schlaflose Nächte. Die Rentnerin kann die Rechnungen nicht bezahlen. Es trifft sie, dass sie jetzt im Alter betrieben wird: «Ich habe mein Leben lang gearbeitet und mir nichts zu Schulden kommen lassen.»

Seit dem Tod ihres Mannes vor 18 Jahren lebt die 85-Jährige von der AHV-Rente und Ergänzungsleistungen. Erspartes hat sie keines mehr, denn ihr Mann wurde von Anlagebetrügern hereingelegt und hat ihr ganzes Vermögen verloren.

Bis im Jahr 2015 gewährten ihr der Kanton Bern und die Gemeinde Hilterfingen Steuererlass. Dann verlangte der Kanton Bern plötzlich Steuern von der Rentnerin, denn sie habe nach Abzug der Ausgaben mehr als das betreibungsrechtliche Existenzminimum von 1200 Franken und könne somit Steuern bezahlen.

Ein Schock für die Rentnerin. Sie lebt bescheiden in einem Zimmer bei Verwandten. Nach Abzug von Miete und Krankenkasse bleiben ihr 1428 Franken: «Mit diesem Geld muss ich leben können und nicht noch Steuern bezahlen.»

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Aus dem Archiv: Yvonne H. ist gerührt von den unzählige Zuschauer-Reaktionen nach einem Beitrag
Aus Kassensturz vom 24.10.2017.
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Yvonne H. kann die erste Steuerrechnung von 3010 Franken nicht bezahlen. Die Gemeinde erlässt ihr die Steuern weiterhin, der Kanton bleibt hart und droht nun mit Pfändung. Unterdessen verlangt das kantonale Steueramt von ihr rund 5500 Franken für Steuern aus den Jahren 2015 und 2016 inklusive Bussen, Kosten, Gebühren und Zinsen.

Steuerbefreiung für Leute am Existenzminimum

Armutsexperte Carlo Knöpfel kritisiert diese Situation. Für ihn ist es unverständlich, dass Leute Steuern bezahlen müssen, die am Existenzminimum leben und deshalb vom Staat mit Ergänzungsleistungen unterstützt werden: «Es wäre konsequent, solche Menschen von den Steuern zu befreien.» Der Kanton Graubünden etwa verzichtet darauf, AHV-Rentnern mit Ergänzungsleistungen zu besteuern, nicht so aber der Kanton Bern.

Administrativer Leerlauf

Im Berner Grossen Rat ist das Problem bekannt. SP-Grossrat Luc Mentha fordert Steuererleichterungen für die Betroffenen. Er kritisiert, dass die Steuerverwaltung mittellosen Rentnern mit Pfändung droht: «Das stört mich, denn das Gesetz sagt klar, dass man Renten der AHV und der EL nicht pfänden darf. Und das wird vom Steueramt im Veranlagungsverfahren nicht berücksichtigt.» Weil Renten nicht pfändbar sind, führen diese Verfahren oft zu einem Verlustschein. Mentha nennt dies einen administrativen Leerlauf, den er stoppen möchte.

Berner Ratshaus
Legende: Die Pfändung mittelloser Rentner wird auch im Berner Rathaus diskutiert. SRF

Die Berner Steuerverwaltung schreibt, dass dies auch bei Personen wie Yvonne H. kein unnötiger administrativer Aufwand sei: «Ob pfändbare Vermögenswerte vorliegen, ist der Steuerverwaltung zu Beginn des Mahnverfahrens nicht bekannt.» Und ein Verlustschein berechtige die Behörde, die Forderungen innert Verjährungsfrist von 20 Jahren geltend zu machen, das wäre der Fall bei einer Erbschaft oder Schenkung.

Das Betreibungsverfahren belastet die 85-jährige Yvonne H. sehr. Auch wenn es bei ihr nichts zu holen gibt, weil sie schlicht nichts Pfändbares besitzt, ist die Vorstellung, dass ein Pfändungsbeamter in ihre Zuhause kommt, für sie ein Graus: «Ich habe doch nichts verbrochen.» Noch schlimmer für sie ist, dass sich das Prozedere mit jedem neuen Steuerjahr wiederholen wird.

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