Das knappe Ja zu einer allgemeinen Radio- und Fernsehabgabe, wie sie es das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) vorsieht, löst bei den Präsidenten von FDP, SVP, CVP und SP unterschiedliche Reaktionen aus. Christian Levrat (SP) ist der Meinung, dass damit die ganze Schweiz gewonnen habe: «Wir haben darüber abgestimmt, was die Schweiz zusammenhält», sagte er in der Präsidentenrunde.
Die SRG ist eine nationale Klammer wie die SBB.
Der Röstigraben sei dabei nicht so gross ausgefallen wie befürchtet, konstatierte Levrat. Die Schweiz brauche diese «Klammer», pflichtete ihm Christophe Darbellay (CVP) bei. Von einem Sieg für die Westschweiz – das Tessin und grosse Teile der Deutschschweiz haben die Vorlage abgelehnt – möchte er aber nicht sprechen.
Angst in der Westschweiz war gross
Als Romand habe er im Abstimmungskampf jedoch gesehen: «Sprachminderheiten fühlten sich etwas gefährdet.» Entsprechend sei das Ergebnis ausgefallen.
Toni Brunner (SVP) hatte sich für ein Nein zum neuen RTVG eingesetzt. Aus dem knappen Resultat ist seiner Meinung nach viel Unzufriedenheit abzulesen. Er wertet es deshalb als «rote Karte für die SRG». Diese löse hoffentlich «eine Diskussion über den Begriff Service public und was er bedeute» aus, sagte er.
Das knappe Ergebnis ist eine rote Karte für die SRG.
Er baue zudem auf das Versprechen, dass die Billag-Gebühr nun auf 400 Franken im Jahr sinke, wie es die Vertreter der Ja-Kampagne stets vorgerechnet hatten, und dass der Betrag in den kommenden Jahren nicht einfach wieder erhöht werde.
Debatte durch Biglers Kampagne befeuert
Treibende Kraft hinter den Gegnern des neuen Gebührenmodells war der Gewerbeverband und ihr Präsident Hans-Ulrich Bigler. Die Frage, ob dieser mit seinen umstrittenen Aussagen eventuell zu weit gegangen sei, mag Philipp Müller (FDP) nicht beurteilen. «Die Kampagne war nicht von der FDP, sondern vom Gewerbeverband.» Zumindest habe man damit aber erreicht, dass weniger über die «Kässeli-Vorlage» diskutiert wurde, wie er sie nennt, «sondern um Inhalte, den Leistungskatalog, den Service public und was darunter zu verstehen ist».
Jetzt muss über den Leistungskatalog gesprochen werden.
Eine Diskussion über die Gebühren habe zwar auch er grundsätzlich für nötig gehalten. Doch «die Reihenfolge war meiner Ansicht nach falsch», so Müller.
Unterhaltung auf gebührenfinanzierten Kanälen
Dass Unterhaltung – heute als Auftrag an die SRG in der Verfassung verankert – dereinst nicht mehr auf den Kanälen der SRG stattfinden soll, lehnen die vier Parteipräsidenten einhellig ab. Anders sieht es aber beim Internetangebot aus: Levrat und Darbellay sehen die Präsenz der SRG-Sender im Internet durchaus als legitimiert. «Das sollen Private übernehmen», findet dagegen der liberale Müller.
Diese böten auch Service public an. Dafür erhielten sie künftig ja auch mehr Gelder aus dem Gebührensplitting. Es gehe ihm nicht um persönliche Abneigungen und Vorlieben; nicht darum, welche Sendung man zurecht mit Gebühren finanzieren müsse, und welche nicht. «Man muss die Qualität hinterfragen», sagte Müller.
Brunner unterstützt diese Forderung: «Die Politik legt nicht Sendungen fest, sondern den Umfang des Service public.» Er ist überzeugt, dass Spartensender der SRG Private in den letzten Jahren aus dem Markt gedrängt haben. Als Beispiele nannte der SVP-Präsident unter anderen die Volksmusik- und Jugendsender der SRG.
Die SRG soll ab morgen die Hausaufgaben machen.
Es sei nicht das erste Mal, dass über den Service public diskutiert werde, sagte Levrat (SP) dazu. Und wohl auch nicht das letzte Mal: Für ihn ist die Karte, die der SRG mit dem Resultat der Abstimmung heute gezeigt wurde, dunkelorange.
Der Präsident der CVP spricht seinerseits von einer gelben Karte, die das Volk ausgeteilt habe: «Die SRG soll ab morgen die Hausaufgaben machen.» Das heisse für ihn, dass die SRG sich nun selbst kritisch hinterfragen müsse, so Darbellay.
Keine Unterstützung für das Referendum
Die Präsidenten der CVP, SVP, FDP und der SP haben sich auch zu den anderen eidgenössischen Vorlagen, über die heute abgestimmt wurde, geäussert. Am überraschendsten war das deutliche Ja zur Präimplantationsdiagnostik (PID).
Die EVP hat bereits ein Referendum gegen das Gesetz angekündigt. Die SVP, die die PID-Vorlage als einzige Partei neben der EVP zur Ablehnung empfohlen hatte, bietet allerdings nicht Hand dazu, sagte Brunner. «Das Volk hat entschieden.»
Erbschaftssteuer «wirtschaftsfeindlich»
Das Nein zur Erbschaftssteuer-Initiative ist für die SP eine herbe Niederlage – und auch nicht die erste in Sachen Steuerpolitik. «Die Leute haben Angst, dass das Steuersystem ins Rutschen kommt», erklärte sich Levrat das wuchtige Nein. Die Realität sei jedoch eine andere: «Der Mittelstand wird immer ärmer», warnte er.
Darbellay sprach hingegen von einer «grandiosen Schlappe für die Linke» und empfahl ihr, solche «wirtschaftsfeindlichen Vorlagen» in Zukunft sein zu lassen.