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Ärztemangel in der Schweiz Was, wenn die Deutschen wirklich gehen?

«Ich hätte sie gerne zurück», sagt der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn. Doch die Schweiz braucht sie – noch.

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn kritisiert gegenüber «Sonntagsblick» die Abwanderung deutscher Ärzte in die Schweiz. Sie fehlten in Deutschland. Sie wiederum durch polnische Ärzte zu ersetzen, könne nicht Sinn der Sache sein.

In der Schweiz machen Spahns Aussagen hellhörig. Der Gesundheitsökonom Heinz Locher kann den CDU-Minister verstehen, machen die deutschen Fachkräfte doch inzwischen fast einen Fünftel des Schweizer Gesundheitswesens aus. Die Schweiz bilde zu wenig Ärzte aus.

Jürg Schlup, Präsident der Verbindung der Schweizerin Ärztinnen und Ärzte FMH, sieht positive Entwicklungen. Die Schweiz habe die Zahl der Studienplätze an den medizinischen Fakultäten in den letzten zehn Jahren verdoppelt: «Das sind wichtige Anstrengungen, die wir sehr begrüssen und gefördert haben.»

Personalmangel im Gesundheitswesen

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Das Schweizer Gesundheitswesen ist stark von ausländischen Fachkräften abhängig – in unseren Spitälern arbeiten rund ein Drittel Ärztinnen, Ärzte und Pflegepersonal, die aus anderen Ländern kommen.

Hierzulande haben 17,7 Prozent der Ärzte einen deutschen Pass. Für deutsche Ärzte wiederum war die Schweiz 2017 erneut das beliebteste Auswanderungsland: Die Schweiz (641) führt das Ranking vor Österreich (268) und den USA (84) an.

Ein ähnlicher Effort werde jetzt in Deutschland gefordert. Denn laut den neuesten Zahlen der Ärztekammer fehlen in deutschen Spitälern derzeit 5000 Ärzte: «Gesundheitsminister Spahn ist also unter Druck», sagt Schlup.

Eine Abwanderung deutscher Ärzte würde den Ärztemangel in der Schweiz akzentuieren. Bis sich politische Forderungen und Vorstösse am Krankenbett auswirkten, werde es aber in beiden Ländern noch dauern: «Bis es soweit ist, werden wir auf Gesundheitsfachleute aus dem nahen Ausland angewiesen sein», sagt Schlup.

Was tun?

Der deutsche Gesundheitsminister hält den «Ärztewettbewerb» im Europa des freien Personenverkehrs für fragwürdig. «Das ist ein schwieriges Thema», so Schlup. Denn in allen europäischen Ländern gebe es zu wenig Ärzte. So werben sich etwa auch osteuropäische Länder gegenseitig die Mediziner ab.

Gesundheitsökonom Locher bringt derweil eine Idee ins Spiel, um die Situation zu entschärfen. Seiner Meinung nach könne ein grosser Teil ärztlicher Aufgaben ohne Qualitätsverlust durch das Pflegepersonal übernommen werden.

Es führt kein Weg an mehr Ausbildungsplätzen vorbei.
Autor: Jürg Schlup Präsident der FMH

«Das ist ein guter Weg, den auch andere Staaten beschreiten», sagt Schlup. Allerdings: Auch in diesen Berufen herrsche ein Mangel an Personal. Entsprechend laufe auch im Pflegebereich ein europäischer Wettbewerb: «Mangelberufe durch Mangelberufe zu ersetzen, ist kaum zielführend. Es führt also kein Weg an mehr Ausbildungsplätzen vorbei.»

Schlup schliesst optimistisch: Die Schweiz habe eines der besten Gesundheitssysteme der Welt und sei ausgezeichnet aufgestellt. «Bei der Pflege braucht es zwar noch zusätzliche Ausbildungsanstrengungen. Bei den Medizinern sind wir aber gut unterwegs.»

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