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AHV-Renten erhöhen? «Wer nur mit der AHV auskommen muss, wäre froh um das Geld»

Das Parlament hat darum gestritten, ob die AHV-Rentnerinnen und -Rentner den vollen Teuerungsausgleich erhalten sollen – rund fünf Franken mehr pro Monat bei den AHV-Mindestrenten – statt nur die ordentliche Anpassung an Lohn- und Teuerungsentwicklung. Der Ständerat hat die Vorlage heute Morgen abgelehnt und damit endgültig versenkt. Für Carlo Knöpfel, Professor für Sozialpolitik, war das ohnehin die falsche Diskussion. Er plädiert für grundsätzlich existenzsichernde AHV-Renten.

Das Interview wurde vor dem Entscheid des Ständerats geführt.

Carlo Knöpfel

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Der studierte Ökonom Carlo Knöpfel ist Professor für Sozialpolitik und Soziale Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Präsident der Kommission Sozialpolitik und Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS.

SRF News: Macht die volle Anpassung an die Teuerung der AHV-Renten Sinn?

Carlo Knöpfel: Es ist grundsätzlich sinnvoll, darüber zu diskutieren – denn die AHV-Mindestrenten sind nach wie vor nicht existenzsichernd und jene Rentnerinnen und Rentner, die davon leben müssen, sind um jeden Franken froh, den sie erhalten. Viele von ihnen könnten Ergänzungsleistungen beziehen, machen das aber nicht, weil sie sich schämen. Sie leben damit unter dem Existenzminimum.

Viele könnten Ergänzungsleistungen beziehen, machen das aber nicht, weil sie sich schämen.

Wenn der volle Teuerungsausgleich tatsächlich einmalig bleibt, dann bin ich durchaus dafür. Ich befürchte aber, dass angesichts der politischen Mehrheiten in diesem Fall bald der Mischindex – also die regelmässige Anpassung der Renten an Lohn- und Teuerungsentwicklung – zur Diskussion stehen könnte. Auf lange Sicht wäre das nachteilig für Rentnerinnen und Rentner mit tiefen AHV-Renten.

Ordentliche Anpassung gemäss Mischindex

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Die AHV-Renten werden gemäss dem sogenannten Mischindex alle zwei Jahre angepasst. Berücksichtigt für den Index werden die Entwicklung der Löhne und der Teuerung. Per 1. Januar 2023 erhöhte der Bundesrat die AHV- und IV-Renten entsprechend um 30 bis 60 Franken pro Monat. Jetzt möchte Mitte-links im Parlament zusätzlich den vollen Teuerungsausgleich bezahlen.

Dazu sagt Carlo Knöpfel: «Folgt man dieser Logik, hätten die Renten in den vergangenen Jahren mit negativer Teuerung gekürzt werden müssen.» Damals hätten bürgerliche Politiker denn auch die Abschaffung des Mischindexes gefordert, um bei den Renten zu sparen, während sie heute auf dem Index pochten, so Knöpfel.

Jetzt riskiere die Linke mit der Forderung nach dem vollen Teuerungsausgleich, dass der Mischindex ausgehebelt werde. Deshalb: «Auf lange Sicht fahren wir besser, wenn wir an den bestehenden Regeln festhalten und die Renten gemäss dem Mischindex ausgleichen», betont Knöpfel.

Sie plädieren also für die Beibehaltung der Rentenanpassung nach Mischindex, ohne die jetzt diskutierte Sonderanpassung, weil das auf lange Sicht besser sei für die Rentnerinnen und Rentner. Betriebt die Linke mit ihrer Forderung also bloss Wahlkampf?

Alle machen derzeit Wahlkampf: Die einen, weil sie dafür sind, die anderen, weil sie dagegen sind.

Es geht ja bloss um fünf Franken pro Monat für Menschen mit den tiefsten Renten. Sollte man ihnen dieses Geld nicht geben?

Wer nur mit der AHV-Rente auskommen muss, wäre unbestritten froh um das Geld, keine Frage.

Das grundsätzliche Problem ist, dass die AHV-Renten grundsätzlich zu tief sind.

Das grundsätzliche Problem ist aber, dass diese AHV-Renten grundsätzlich zu tief sind – egal, ob man eine Teuerung ausgleicht oder nicht. In der Bundesverfassung steht geschrieben, dass die AHV existenzsichernd sein soll, doch das ist sie bis heute nicht.

Voller Teuerungsausgleich bei der AHV vom Tisch

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AHV-Rentnerinnen und -Rentner erhalten in diesem Jahr definitiv keinen vollen Teuerungsausgleich. Nach dem National- hat es auch der Ständerat abgelehnt, auf eine entsprechende Umsetzungsvorlage einzutreten. Die kleine Kammer fällte ihren Entscheid äusserst knapp mit 21 zu 20 Stimmen bei einer Enthaltung. Sie folgte damit einer knappen Minderheit der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-S).

Mit dem Entscheid ist die Änderung des AHV-Gesetzes vom Tisch. Der Nationalrat hatte es bereits am Mittwoch abgelehnt, auf die Vorlage einzutreten.

Konkret ging es darum, ob zur im Januar vom Bundesrat vorgenommenen Rentenerhöhung um 2.5 Prozent weitere 0.3 Prozentpunkte dazukommen sollten. Die Mehrkosten für die Jahre 2023 und 2024 hätten 418 Millionen Franken betragen. Sie sollten nach dem Willen des Bundesrats ausnahmsweise nicht durch den Bund mitfinanziert werden.

Mit der Umsetzungsvorlage erfüllte der Bundesrat einen Auftrag beider Räte – obwohl er sich ursprünglich gegen das Vorhaben gestellt hatte.

Wie stehen die politischen Chancen, dieses Ziel eines Tages zu erreichen?

Es hat verschiedene Anläufe dazu gegeben, so haben die Gewerkschaften in der Vergangenheit mehrere Volksinitiativen lanciert, um die AHV-Renten substanziell zu erhöhen. Doch das Thema ist nicht mehrheitsfähig in der Schweiz. Das ist aus Sicht der Rentnerinnen und Rentner keine gute Situation.

Gibt es auch für Sie eine Obergrenze bei der Teuerung, ab der der volle Teuerungsausgleich nötig wäre?

Es gilt zwei Dinge zu unterscheiden: Das eine ist der Rhythmus, in dem die Renten angepasst werden. Das geschah in der Vergangenheit alle zwei Jahre gemäss dem Mischindex. Hier könnte man den Bundesrat darauf verpflichten, diese Anpassung jedes Jahr vorzunehmen.

Wenn die Löhne der Teuerung voll angepasst werden, kommt man auch beim AHV-Mischindex auf den vollen Teuerungsausgleich.

Das andere ist: Die Differenz zwischen Preissteigerung und Lohnsteigerung bestimmt die Höhe der Rentenanpassung. Wenn also die Löhne der Teuerung voll angepasst werden, kommt man auch beim Mischindex auf den vollen Teuerungsausgleich bei der AHV. Wenn aber zwischen Teuerung und Lohnanstieg eine Differenz von mehr als drei Prozentpunkten entstehen würde, wäre eine Anpassung der Renten über den Mischindex hinaus nötig. Das ist bis jetzt nicht der Fall, die Gewerkschaften waren stark genug bei den Lohnverhandlungen.

Das Gespräch führte Monika Glauser.

SRF 4 News, 2.3.2023, 6:10 Uhr ; 

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