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Aktionsplan gegen Extremismus Hinschauen und reden

  • Mit einem Aktionsplan wollen Bund, Kantone und Gemeinden gemeinsam gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus vorgehen.
  • Der Bund stellt fünf Millionen Franken zur Umsetzung bereit.
  • Die im Aktionsplan vorgesehenen Schritte reichen von der Einrichtung von Beratungsstellen über die Sensibilisierung von Fachpersonen bis hin zur Verbreitung von «Gegennarrativen» im Internet.
  • Manche der Massnahmen sind nur im Zuge einer Gesetzesänderung realisierbar.

Was tun, wenn die Schülerin im Internet auf einmal bei einem islamistischen Video «gefällt mir» anklickt oder wenn sich ein junger Mann immer mehr zurückzieht, sich anders kleidet und radikale Gedanken äussert? Lehrer/innen ausbilden, Fussball-Trainer sensibilisieren und Imame schulen, sagen Bund, Kantone und Gemeinden. Heute haben sie einen Aktionsplan mit 26 Massnahmen gegen Radikalisierung vorgestellt.

Weiterbildungen für Lehrpersonen und Sporttrainer

Wer tagtäglich mit Jugendlichen zu tun habe, spüre am ehesten, wenn jemand ausgegrenzt werde, in einer Krise stecke und anfällig für radikale Ideen werde, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga vor den Medien.

«Die Propaganda des IS zum Beispiel ist ausserordentlich aggressiv. Er geht gerade auf diese Jugendlichen zu und versucht ihnen Versprechungen zu machen. Wenn wir da frühzeitig eingreifen können, können wir grosses Leid verhindern.»

Städte und Kantone unternähmen schon viel, betont die Justizministerin, aber es könne noch besser werden. «Wenn jugendliche Radikalisierungs-Tendenzen haben, muss der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Behörden wirklich funktionieren. Einzelne Städte haben das schon, andere nicht.»

Damit Lehrer, Sozialarbeiter, Polizisten, aber auch Sporttrainer und Verantwortlichen von Kultur- und Freizeitvereinen die Zeichen einer Radikalisierung frühzeitig erkennen und entsprechend handeln, sollen ihnen Aus- und Weiterbildungen angeboten werden.

Droht der Schnüffelstaat?

Tatsächlich bestehe dabei eine gewisse Gefahr, dass Behörden harmlose Rebellion von Teenagern überinterpretieren könnten, sagt der Präsident der kantonalen Sozialdirektoren, Martin Klöti. Wichtig sei deshalb, «dass man nicht anfängt, irgendwo Aktionen zu entwickeln».

Kursierten Informationen über Personen, die sich radikalisieren, müsse man sie abfragen und von Fachleuten relativieren lassen, so Klöti weiter. «Die Fachleute ordnen diese Informationen dann so ein, dass es nicht zum Schnüffeln wird, sondern zu einer Unterstützung.»

Wir wollen nicht, dass Lehrerinnen und Lehrer plötzlich zu Inspektoren werden, aber sie müssen die Antennen sein.
Autor: Martin Klöti Präsident der Sozialdirektorenkonferenz

Der Aktionsplan nennt Beispiele, wie Kantone und Städte vorgehen könnten: In Genf etwa besucht künftig eine Lehrperson pro Schule eine zweitägige Weiterbildung zum Thema Radikalisierung.

Gerade aber den Schulen werden immer neue Aufgaben aufgebürdet. Können sie jetzt auch noch Präventionsstelle gegen radikales Gedankengut sein? Klöti relativiert: Man wolle Lehrern nicht Aufgaben geben, die sie nicht noch zusätzlich stemmen könnten. «Wir wollen nicht, dass Lehrerinnen und Lehrer plötzlich zu Inspektoren werden, aber sie müssen die Antennen sein.»

Hintergrund des Aktionsplans

Der Aktionsplan gegen Radikalisierung enthält 26 Massnahmen und ist Teil der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung. Er soll innerhalb von fünf Jahren umgesetzt sein. Der Bundesrat hat ihn vergangene Woche zur Kenntnis genommen und beschlossen, die Umsetzung mit einem Impulsprogramm zu fördern. Dafür stehen fünf Millionen Franken zur Verfügung.
Der Aktionsplan wurde seit vergangenem Herbst unter der Leitung des Delegierten des Sicherheitsverbunds Schweiz von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden gemeinsam erarbeitet und am 24. November verabschiedet.

Andere Sichtweisen im Internet

Der Aktionsplan enthält auch Massnahmen zur Verhinderung von Radikalisierung im Internet. Das Ziel ist, dass Personen, die im Internet gewalt-extremistisches Propagandamaterial suchen oder darauf stossen, auch andere Sichtweisen und Gegenargumente finden. Organisationen der Zivilgesellschaft sollen «Gegennarrative» verbreiten, in einer Pilotphase durch den Bund finanziert.

Der Sicherheitsverbund Schweiz soll die Vernetzung aller Akteure fördern und auf der Internetseite ch.ch Informationen für die Bevölkerung aufbereiten.

Anderer Plan für Extremisten

Für Menschen, die bereits radikalisiert sind, arbeitet Bundesrätin Sommaruga parallel dazu an anderen, schärferen Massnahmen. Der Nachrichtendienst hat rund 100 gefährliche Extremisten Visier: Ihnen möchte Sommaruga künftig zum Beispiel den Pass wegnehmen können oder sie verpflichten, regelmässig bei der Polizei vorzusprechen.

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