- Seit Anfang Jahr ist der Alkoholausschank an den rund 40 Autobahnraststätten in der Schweiz erlaubt.
- Wo sich die Raststätten-Betreiber die Hände rieben, schlugen Präventionsfachleute Alarm. Sie befürchteten mehr Unfälle auf den Autobahnen.
- Nach einem Jahr zeigt sich, dass sich die schlimmsten Befürchtungen nicht bestätigt haben.
Nein, der grosse Renner sei das Glas Wein in der Raststätte nicht, sagt Ramon Heinzer. Er führt das Restaurant in der Autobahnraststätte MyStop in Affoltern am Albis an der A4 im Kanton Zürich: «Es wird sehr wenig Alkohol konsumiert. Wir hatten eine Zapfanlage installiert und mussten sie nach einem halben Jahr wieder aufgeben. Das Volumen war einfach nicht so gross.»
Lauwarmes Interesse
Eine Erfahrung, die auch Restaurants an anderen Autobahnen kennen – etwa die Raststätte Grauholz an der A1 bei Bern. Hier wurden ebenfalls Zapfhähne abmontiert und das Alkoholangebot verkleinert.
Ähnlich klingt es in einer schriftlichen Auskunft der Migros-Tochter Migrolino, die 18 Tankstellenshops an den Schweizer Autobahnen betreibt: «Wir haben auf Autobahnen ein eher zurückhaltendes Kaufverhalten beobachten können.»
Rückläufige Unfallzahlen
Auf der anderen Seite hat sich auch die Sorge, dass der Alkoholausschank zu mehr Unfällen auf den Autobahnen führen könnte, wohl nicht bewahrheitet. Im ersten Halbjahr gingen die Unfallzahlen zurück. Zahlen fürs ganze Jahr liegen noch nicht vor. Offenbar wird in den Raststätten also nicht heftig gebechert.
Dazu schreibt Autogrill, jene Firma, die eine Reihe von Raststätten betreibt: «Unsere bisherigen Erfahrungswerte zeigen, dass alkoholische Produkte weniger gekauft werden, um sie vor Ort im Restaurant zu konsumieren, sondern eher zum Mitnehmen für den späteren Konsum.»
Die Autobahn ist und bleibt für uns der falsche Ort, um Alkohol zu verkaufen.
Es ist gut möglich, dass auch die Pandemie eine Rolle gespielt hat, dass in den Raststätten nicht so viel Alkohol konsumiert wurde.
Präventionsfachleute bleiben kritisch
Froh über diesen vernünftigen Umgang mit Alkohol ist Marc Kipfer von der Beratungsstelle für Unfallverhütung BfU. Dennoch hält er fest: «Wir sehen den Alkoholverkauf an Raststätten nach wie vor kritisch. Dies mit Blick auf die vielen tödlichen Unfälle, die es im Strassenverkehr wegen Alkohol gibt. Die Autobahn ist und bleibt für uns der falsche Ort, um Alkohol zu verkaufen.»
Nach einem Jahr lässt sich sagen: Der Alkoholverkauf hat die hohen Erwartungen der Raststätten nicht erfüllt, aber auch die schlimmsten Befürchtungen der Kritiker nicht bestätigt.