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Generation Z ist in Verruf – dabei waren die Babyboomer gar nicht so anders
Aus Regionaljournal Aargau Solothurn vom 02.02.2024. Bild: Keystone/Ennio Leanza
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Alt gegen jung Generation Z in Verruf – zu Unrecht?

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Jugend schon vor 40 Jahren als arbeitsscheu und konsumorientiert galt.

«Die jungen Leute sind arbeitsscheu. Sie können oder wollen nicht arbeiten.» Die heutige Jugend nehme Kleinkredite auf, lebe über ihre Verhältnisse. Die Verschuldung habe massiv zugenommen. Das sind die Worte des Aarauer Betreibungsbeamten Peter Däster.

Er spricht aber nicht etwa über die Generation Y oder Z. Nein, diese Aussage stammt aus einem Radiobeitrag, der im Jahr 1984 auf SRF ausgestrahlt wurde – also vor 40 Jahren. Angesprochen sind damit die Babyboomer. Jene Generation, die sich heutzutage über die schlechte Arbeitsmoral der «heutigen Jugend» beschwert.

Die Jugend war nie so schlimm, wie über sie geredet wurde.
Autor: Christoph Mattes Schuldenexperte und Dozent an der FHNW

Dass sich der Aarauer Betreibungsbeamte 1984 genauso über die Jugend beschwert hat, wie es die Babyboomer heute tun, überrascht Christoph Mattes nicht. Mattes forscht seit 18 Jahren zum Thema Schulden und doziert an der Fachhochschule Nordwestschweiz im Bereich «Soziale Arbeit».

«Schlimm war sie nie», sagt Mattes über die Jugend. «Jedenfalls nie so schlimm, wie über sie geredet wurde.» Schon vor 40 Jahren sei die Verschuldung der jungen Bevölkerung ein grosses Thema gewesen. Im Radiobeitrag von 1984 spricht der Betreibungsbeamte von einer Zunahme von jeweils 15 bis 25 Prozent in den vergangenen Jahren.

Schulden – vom Risiko zum Geschäftsmodell

Seither habe sich die Situation nicht wirklich verschlechtert, betont Mattes. Die Verschuldung der Jugend verändere sich in einer Wellenbewegung auf und ab – je nach Wirtschaftslage.

Statt als Risiko, erkannte man Schulden als Potenzial.
Autor: Christoph Mattes Schuldenexperte und Dozent an der FHNW

Vor 40 Jahren war die Verschuldung in diesem Ausmass aber etwas Neues. Damals habe es einen Paradigmenwechsel gegeben, erklärt Mattes. Statt Schuldnerinnen und Schuldner als Risiko zu sehen, habe man ihr Potenzial erkannt. Denn: Wer Schulden hat, bezahlt Zinsen – und damit lässt sich gut Geld verdienen.

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Legende: In mehr als vier von zehn Haushalten lebt mindestens eine Person mit einer Verschuldung und mindestens eine Person hat einen Kredit aufgenommen, ein Konto überzogen oder hat eine unbezahlte Kreditkartenrechnung. Das zeigen die Zahlen des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2020. Keystone/Martin Meissner

Heute ist die Verschuldung ein eigenes Geschäftsmodell: Wer Schulden hat, dem oder der gewähren Banken oder andere Kreditgeber weitere Kredite. Das jedoch nur zu höheren Zinsen.

Viele Parallelen zu 1984

Es gibt aber noch weitere Parallelen zwischen der Jugend von heute und von 1984. Die Tendenz, Waren zu bestellen, die man sich nicht leisten kann. Vor 40 Jahren waren es noch die Versandkataloge, die Jung und Alt zu unnötigen oder unüberlegten Käufen verführte.

Verschiedene Titelseiten von Versandkatalogen.
Legende: Der Lehner-Versand ist einer der letzten Katalog-Versandhäuser der Schweiz. Während die junge Bevölkerung früher ihre Kauflust über die Versandkataloge auslebte, gibt es heute fast alles online zu kaufen. KEYSTONE/URS FLUEELER

Heute kann man online vom Schreibtisch aus Waren aus der ganzen Welt bequem zu sich nach Hause liefern lassen. Vor allem Corona hat den Onlinehandel in der Schweiz nochmals gestärkt. Zwischen 2019 und 2022 hat der Umsatz im Onlinesektor um rund 35 Prozent zugenommen, wie die Zahlen des Schweizer Handelsverbandes zeigen.

Gleiche Probleme – neue Lösungsansätze

Wer in der Schweiz nicht mehr aus eigener Kraft aus den Schulden herauskommt, der oder die hat heutzutage wenig Chancen, jemals wieder schuldenfrei zu leben. Das soll sich künftig ändern.

Der Bundesrat unterstützt die sogenannte «Restschuldbefreiung». Hoffnungslos verschuldete Personen sollen während vier Jahren alle verfügbaren Mittel an die Gläubiger abgeben und müssen nachweisen, dass sie sich um ein regelmässiges Einkommen bemühen. Nach Ablauf der vier Jahre werden die Restschulden erlassen und die betroffene Person kann nochmals ganz neu anfangen.

Restschuldbefreiung

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Die meisten europäischen Ländern kennen das Restschuldverfahren. In der Schweiz ist es nun auch ein Thema. Der Bundesrat hatte im Jahr 2022 eine Vernehmlassung zu entsprechenden Änderungen im Bundesgesetz durchgeführt.

Durch den Schuldenschnitt hätten Betroffene eine zweite Chance und könnten sich wieder in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben integrieren.

Ohne Restschuldbefreiung sind Betroffene auch nach dem Privatkonkurs nicht schuldenfrei. Die Schulden bestehen in Form eines Verlustscheins für mindestens 20 Jahre und die Gläubiger können das Geld jederzeit einfordern.

Laut einer Umfrage im National- und Ständerat des Magazins «Beobachter» wäre die Einführung einer Restschuldbefreiung in beiden Kammern mehrheitsfähig.

Die SVP und die FDP merken aber an, dass auch die Interessen der Gläubiger berücksichtigt werden müssen.

2022 hat der Bundesrat den Vorschlag zur Einführung der Restschuldbefreiung in die Vernehmlassung geschickt. Aktuell werden die Stellungnahmen der Parteien und Verbände ausgewertet, wie das Justizdepartement auf Anfrage mitteilt. Gemäss Zeitplan werde der Bundesrat in diesem Jahr die Botschaft dazu verabschieden.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 31.01.2024, 17:30 Uhr;

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