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Analyse der Parolen Schweizer Parteien rücken nach links

Mehrere Parteien haben sich in den letzten Jahren politisch nach links verschoben. Damit folgen sie einer Tendenz in der Bevölkerung. Das zeigt eine Auswertung der Abstimmungen und Parteiparolen.

Wie ticken die Schweizer Parteien? Um dies herauszufinden, hat die Forschungsstelle Sotomo alle Abstimmungsparolen der grossen Parteien aus den letzten zwölf Jahren analysiert.

Michael Hermann, der Leiter von Sotomo, sagt: «Interessant ist, dass sich die Polparteien kaum bewegt haben, während die Mitte-Parteien, und in geringerem Masse die FDP, nach links gerückt sind.»

In der Mitte des Spektrums gibt es Bewegung

Grüne und SP haben ihre Positionen weitgehend beibehalten, nur die Grünen sind minim konservativer geworden. Die GLP ist derweil klar nach links gerückt – und befindet sich neu genau in der Mitte des links-rechts-Spektrums.

Noch stärker nach links bewegt hat sich die Mitte, die gleichzeitig auch progressivere Positionen vertritt als noch zwischen 2011 und 2016. Die FDP ist ebenfalls leicht nach links gerückt. Bei der SVP ist kaum eine Veränderung sichtbar.

Die Grafik zeigt, was im Text erwähnt wird.
Legende: SVP – dunkelgrün, SP – rot, FDP – blau, Die Mitte – orange, Grüne – hellgrün, GLP – gelbgrün. Sotomo

In der gleichen Zeitspanne ist die Schweizer Bevölkerung leicht nach links gerückt – dies wiederum zeigen die Abstimmungsresultate. Hier gebe es ein stärkeres Bedürfnis nach staatlichen Lösungen, so Hermann. «Ein Beispiel dafür ist das klare Ja zur Pflegeinitiative, der ersten Initiative aus Gewerkschaftskreisen, die an der Urne eine Mehrheit fand.»

Gleichzeitig hätten es Sparvorlagen schwieriger, erklärt Hermann. Mehrere Steuersenkungen seien abgelehnt worden, und auch das knappe Ja zur AHV-Reform im letzten Jahr sei ein Zeichen davon.

Stärkung der Linken?

Linke Parteien profitieren laut Hermann nicht zwingend davon, dass die Bevölkerung bei Abstimmungen häufiger linke Positionen unterstützt. Dies liesse sich wiederum damit erklären, dass in der gleichen Zeitspanne seit 2017 mehrere Parteien der Mitte nach links gerückt seien.

Die Personen stehen nebeneinander, jeweils an einem Rednerpult.
Legende: Von links: Die Partei- bzw. Fraktionspräsidentinnen und -präsidenten Balthasar Glättli (Grüne), Tiana Angelina Moser (GLP), Thierry Burkart (FDP), Gerhard Pfister (Mitte), Thomas Aeschi (SVP) und Mattea Meyer (SP) anlässlich einer Elefantenrunde zur Bundesratswahl, am 6. Dezember 2022. KEYSTONE/Peter Schneider

Am stärksten nach links bewegt hat sich die Mitte. Deren Parteipräsident, Gerhard Pfister, will aber nicht von einem Linksrutsch, sondern von einem Rutsch in die Mitte sprechen. «Ich stelle einfach fest, dass wir die Partei sind, die zusammen mit der GLP am meisten Volksabstimmungen gewinnt.»

Zwischen links und rechts gibt es einen neuen starken dritten Pol.
Autor: Gerhard Pfister Präsident, Die Mitte

«Und wenn sich das Volk mehr in Richtung Sozialpolitik entwickelt, dann machen wir das auch.» Dazu, dass GLP und Mitte sehr ähnliche Positionen vertreten, sagt Pfister: «Das ist meines Erachtens auch die Folge einer zunehmenden Dreipoligkeit in der Schweizer Politik. Zwischen links und rechts gibt es einen neuen starken dritten Pol, und das ist die Mitte.»

Konservative SVP gewinnt

Obwohl die Bevölkerung bei Abstimmung linkere Positionen unterstützt hat, haben die letzten kantonalen Wahlen gezeigt: Die SVP gewinnt vielerorts. Wird es für die Mitte-Parteien nun zum Problem, dass sie nach links gerutscht sind?

Die SVP profitiert davon, dass sie die einzige Partei mit klar konservativen Positionen ist.
Autor: Michael Hermann Leiter der Forschungsstelle Sotomo

Laut Hermann sei für das Erstarken der SVP wohl primär die Migrationsfrage entscheidend. Diese sei eher auf der anderen Achse einzuordnen, der progressiv-konservativ-Achse. «Die SVP profitiert davon, dass sie die einzige Partei mit klar konservativen Positionen ist.»

In den letzten Jahren blieb die Position der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auf dieser Achse zwar gleich. Allerdings war schon da klar ersichtlich, dass die Schweizer Bevölkerung im Durchschnitt weniger progressiv ausgerichtet ist, als die meisten Parteien. 

Tagesschau, 17.04.2023, 19:30 Uhr

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