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Anstrengungen in den Kantonen Behördensprache soll verständlicher werden

«Gefängnis» statt «Ersatzfreiheitsstrafe»: Mit solchen Umformulierungen sollen die Menschen einfacher erreicht werden.

Laut Schätzungen verfügen rund 15 Prozent der Erwachsenen in der Schweiz nur über rudimentäre Lesefähigkeiten. Deshalb sind sie oft überfordert, wenn sie zum Beispiel eine amtliche Website besuchen, das Abstimmungsbüchlein lesen oder einen Brief der Behörden erhalten.

Letztes Jahr stellte das Winterthurer Stadtrichteramt fest: Viele Bussen, zum Beispiel für Verkehrsdelikte, wurden nicht bezahlt – und zwar, weil die Gebüssten die Strafbefehle der Behörden nicht richtig verstanden hatten. Stadtrichterin Sylvia Huber sagt dazu: «Ich sah, dass unsere Texte in den Verfügungen und Rechnungen schwerfällig und unverständlich formuliert waren.»

«Gefängnis» statt «Ersatzfreiheitsstrafe»

Deshalb begannen Huber und ihr Team, die Beamtensprache zu übersetzen. Sie vereinfachten Formulierungen, bauten die Texte klarer auf, suchten Alternativen für ungewohnte Begriffe: «Gefängnis» statt «Ersatzfreiheitsstrafe», zum Beispiel.

Dies führte zu einer deutlich besseren Zahlungsmoral – und laut «Tagesanzeiger» zu Mehreinnahmen von rund 200'000 Franken im Jahr 2020. Dies ist aber nur ein Nebeneffekt der einfachen Sprache. Es gehe in erster Linie darum, mit den Leuten auf Augenhöhe zu kommunizieren, sagt Gabriela Antener, Professorin an der Hochschule für Soziale Arbeit in Olten.

Kommunikation hat sich verbessert

Antener hat für ein Forschungsprojekt die Korrespondenzen und Informationsbroschüren der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Solothurn in einfache Sprache übersetzt – mit grossem Erfolg: «Die Behörde hat weniger empörte Anrufe bekommen. Die Klienten haben formuliert, dass wenn sie solche Briefe erhalten, sie davon ausgehen, dass sie mit der Kesb auch sprechen können. In diesem Sinne hat sich die Kommunikation verbessert.»

In den letzten Jahren haben verschiedene Verwaltungen und Behörden damit begonnen, ihre Inhalte in einfacher Sprache anzubieten – vor allem im Internet. So finden sich zum Beispiel auf den Websites der Kantone Zürich, Bern und St. Gallen immer wieder Bereiche, in denen die Inhalte vereinfacht zusammengefasst werden.

Einfache Sprache sollte in der öffentlichen Verwaltung selbstverständlich werden.
Autor: Helena Jansen Kompetenzzentrum «Leicht & Einfach»

Und auch der Bund bereitet seine aktuellen Informationen zum Coronavirus jeweils auch in leichter Sprache auf. Hingegen lehnte der Bundesrat 2018 einen Vorstoss für Abstimmungsinformationen in leichter Sprache ab. Ein Abstimmungstext müsse gesetzlichen Anforderungen genügen und könne nicht beliebig vereinfacht werden, so die Begründung.

Alle profitieren

Mit dabei ist Helena Jansen, die mit ihrem Kompetenzzentrum «Leicht & Einfach» Behörden und Verwaltungen überzeugt: «Einfache Sprache sollte in der öffentlichen Verwaltung selbstverständlich werden.»

Davon profitieren laut Jansen nicht nur Fremdsprachige, Behinderte oder Leute mit einer Leseschwäche, sondern wir alle. Denn wenn sie nicht verstanden wird – ist Kommunikation nutzlos.

Rendez-vous, 15.3.2021, 12:30 Uhr

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