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Häufung von antisemitischen Vorfällen im Onlinebereich
Aus HeuteMorgen vom 28.02.2023. Bild: Keystone/Christoph Soeder
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Antisemitismus-Bericht Verschwörungstheorien fördern Judenfeindlichkeit im Netz

Der neuste Antisemitismusbericht der Schweiz ortet eine wachsende Subkultur vor allem auf dem Internetdienst Telegram.

In den vergangenen Jahren beschäftigte sich der jährliche Antisemitismusbericht vornehmlich mit Corona-Leugnern. Viele von ihnen behaupteten, mächtige Jüdinnen und Juden würden Profit aus der Pandemie schlagen.

In diesem Jahr hat sich das Hauptaugenmerk des Berichts verschoben. Noch immer sind Verschwörungstheorien das Hauptthema. Diese könnten für die Jüdinnen und Juden in der Schweiz gar gefährlich werden.

Corona hat wie ein Brandbeschleuniger gewirkt.
Autor: Jonathan Kreutner Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund

«Die verschwörungstheoretischen Kreise sind schon immer da gewesen», sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG). Corona habe wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Gruppierungen seien massnahmenkritischer und schliesslich staatskritischer geworden: «Sobald sie sich in ihren eigenen Realitäten verfangen, ist es nicht mehr weit, irrwitzigen antisemitischen Verschwörungstheorien nachzuleben.»

Verschwörungskultur im Internet

Laut dem Antisemitismusbericht hat sich online eine verschwörungsaffine Subkultur entwickelt. Diese sei vor allem auf dem Messenger-Dienst Telegram aktiv. Dabei könnten verschiedenste Themen als Aufhänger dienen, auch der Krieg in der Ukraine.

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Schweiz: Neuester Antisemitismusbericht
Aus Tagesschau vom 28.02.2023.
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«Es geht darum, dass überall dunkle Mächte dahinter sind. Mächte, die irgendwie versuchen, etwas Schlechtes zu machen. Irgendwo schwingt dann immer auch implizit oder explizit mit, dass es eine Art jüdische Weltverschwörung gibt», erklärt Kreutner.

Nicht alle, die Verschwörungstheorien anhängen, seien antisemitisch. Aber in dieser Szene hätten judenfeindliche Mythen an Zulauf gewonnen. Laut Kreutner fehlen mahnende Gegenstimmen in den Kanälen. Dies sei für Schweizer Jüdinnen und Juden ein Grund zur Besorgnis. Wenn Menschen von grossem Hass getrieben seien, werde die Gefahr reell. Den Worten könnten dann Taten folgen.

In anderen Ländern haben Leute, die von antisemitischen Verschwörungstheorien beeinflusst waren, bereits Attentate auf Juden oder jüdische Einrichtungen verübt. Beispielsweise im deutschen Halle, als ein Mann in eine Synagoge eindringen wollte. Beim Versuch ermordete er zwei Menschen.

Forderungen an den Bund

Im Antisemitismusbericht stehen auch konkrete Forderungen, um den Hass gegen Jüdinnen und Juden in der Schweiz einzudämmen. Der Staat soll ein Monitoring von Antisemitismus und Rassismus betreiben. Diese Aufgaben könnten nicht allein in der Verantwortung von Nichtregierungsorganisationen und Verbänden liegen, schreiben die Autorinnen und Autoren im Bericht.

Weiter werden rechtliche Mittel zur Erfassung und Beschränkung von Hassreden gefordert. Die Politik müsse auf Social-Media-Plattformen, insbesondere Telegram, einwirken. Zudem soll das Parlament ein Verbot von Nazisymbolen umsetzen. Bereits 2022 hat der Bundesrat das Budget für Minderheiten mit einem besonderen Schutzbedürfnis erhöht. 2.5 Millionen Franken stehen zur Verfügung, um gefährdete Einrichtungen wie etwa Synagogen zu schützen.

SIG-Präsident: Antisemitismus von links und rechts

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Legende: Der Politiker und Ökonom Ralph Lewin ist seit 2020 Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG). Er war von 1997 bis 2008 Basler Regierungsrat (SP). Von 2010 bis 2017 war er VR-Präsident der Bank Coop. Keystone/Georgios Kefalas

Die Zahl judenfeindlicher Vorfälle hat 2022 in der Schweiz nochmals leicht zugenommen. 863 ereigneten sich im Internet, 57 in der realen Welt. Fast zwei Drittel der Online-Fälle hatten mit Verschwörungstheorien zu tun.

Die Kreise, aus welchen antisemitische Personen kommen, sind sehr heterogen, wie SIG-Präsident Ralph Lewin im «Tagesgespräch» von SRF darlegt: «Zum Beispiel links-esoterische Kreise, die im Zionismus ein grosses Problem sehen. Aber auch Rechtsextreme, die möglicherweise schon immer antisemitische Gefühle hatten und diesen jetzt im Zusammenhang mit Corona oder Ukraine-Krieg Ausdruck verleihen.

Dazu kommen laut Lewin anarchistische Personen, die grundsätzlich finden, dass der Staat alles falsch macht. Nie sind in dieser Gruppe diejenigen Schuld, die man klar identifizieren kann, sondern es stecken immer irgendwelche Mächte dahinter.

Die Lage in der Schweiz sei Gott sei Dank deutlich besser als im Ausland, sagt  Lewin auf die Frage, ob er sich noch sicher fühle:  «Trotzdem macht uns die erneute Zunahme real wie auch im Internet Sorgen. Glücklicherweise sind es nicht Gewalttaten, und auch Tätlichkeiten sind selten. Aber Beleidigungen und Beschimpfungen auf der Strasse samt Hitlergruss kommen immer wieder vor. Dazu antisemitische Witze an der Arbeit oder in Schulen sowie Schmierereien.

HeuteMorgen, 28.02.2023, 06:00 Uhr

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