Das letzte Wort könnte allerdings das Stimmvolk haben: Die Gewerkschaften haben bereits angekündigt, das Referendum gegen die Änderung des Arbeitsgesetzes zu ergreifen, die aus ihrer Sicht die Arbeitsbedingungen im Detailhandel verschlechtert.
Offen waren zuletzt noch die Voraussetzungen, die Tankstellenshops erfüllen müssen. Die Räte haben sich nun darauf geeinigt, dass die Lockerung für jene Shops gilt, die an Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr liegen. Der Nationalrat stimmte dieser Formulierung mit 112 zu 62 Stimmen zu.
Heute dürfen Tankstellenshops nachts zwar Kaffee oder Sandwiches verkaufen, nicht aber andere Produkte. Sie müssen deshalb einen Teil ihres Lokals absperren. Künftig soll diese Einschränkung wegfallen. Tankstellenshops könnten demnach in der Nacht ohne Sonderbewilligung Personal beschäftigen, wenn das Warenangebot in erster Linie auf die Bedürfnisse der Reisenden ausgerichtet ist.
Erster Schritt zu weiteren Lockerungen
Die Änderung geht auf eine parlamentarische Initiative aus den Reihen der FDP zurück. Die Befürworter verwiesen auf die veränderten Bedürfnisse der Konsumenten und kritisierten das geltende Gesetz. Das Personal sei für den Verkauf von Benzin ohnehin anwesend. Dass es nicht sämtliche Produkte verkaufen dürfe, sei unsinnig.
Gegen die Gesetzesänderung stellten sich SP und Grüne. Sie befürchten eine Zunahme der schädlichen Nachtarbeit. Wie die Gewerkschaften sehen sie in den neuen Regeln für Tankstellenshops ausserdem den ersten Schritt zu einer weiteren Deregulierung der Ladenöffnungs- und Arbeitszeiten.
Einkaufen bis 20 Uhr
Tatsächlich sind bereits Vorstösse für weitere Lockerungen hängig. Ständerat Filippo Lombardi (CVP/TI) fordert, dass Detailhändler in der ganzen Schweiz ihre Produkte werktags bis 20 Uhr und samstags bis 19 Uhr verkaufen dürfen. Der Ständerat hat die Motion angenommen.
Die Schweiz habe heute zu restriktive und zu unterschiedlich geregelte Öffnungszeiten, befand die Mehrheit in der kleinen Kammer. Gerade zu Zeiten des starken Frankens könne sie sich dies nicht leisten. Zudem verzerrten die Ausnahmen für Bahnhöfe, Flughäfen oder Tankstellen den Wettbewerb.
Der Nationalrat muss noch über die Motion entschieden. Seine Wirtschaftskommission beschloss, vor dem Entscheid die kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren anzuhören. Stimmen die Räte der Motion zu, könnten die Kantone nicht mehr strengere Gesetze beschliessen. Geht es nach den Gewerkschaften, soll allerdings auch hier die Stimmbevölkerung das letzte Wort haben.
Lockerung für Tourismusgebiete
Entscheiden muss der Nationalrat ferner noch über eine Motion von Fabio Abate (FDP/TI), der eine Lockerung der Bestimmungen über Sonntagsarbeit für Shopping-Center in Tourismusgebieten fordert. Auch diesem Vorstoss hat der Ständerat bereits zugestimmt.
Hintergrund ist der Streit um das Shopping-Center FoxTown in Mendrisio (TI). Dort tolerieren der Kanton und die Gewerkschaften seit über 16 Jahren rechtswidrig Sonntagsarbeit. Weil ein anderes Center die gleichen Rechte verlangte, kam der Kanton unter Druck. Die Gegner befürchten, dass die Ausnahme nicht nur in klassischen Tourismusgebieten, sondern auch an anderen Standorten zur Anwendung kommen könnte.
Volk sagte Nein
Gegen die geforderten Deregulierungen kämpfen die Verbände des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) zusammen mit anderen Arbeitnehmerorganisationen und der «Sonntagsallianz», der auch kirchliche Organisationen angehören.
Die Gegnerinnen und Gegner führen nicht zuletzt den Ausgang von Volksabstimmungen ins Feld. Im Sommer hatte das Stimmvolk im Kanton Zürich der FDP-Initiative «Der Kunde ist König!» eine deutliche Abfuhr erteilt. Auch die Luzernerinnen und Luzerner sprachen sich gegen längere Ladenöffnungszeiten aus. Der Bundesrat hat sich für allgemeine Ladenöffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr ausgesprochen. Im Falle von Tankstellen soll die Regel des Nachtverkaufsverbots fallen. Dies unterstützte auch der Ständerat in der Herbstsession.