In den Augen von Vania Alleva, Co-Präsidentin Gewerkschaft Unia, handelt es sich bei der Änderung des Arbeitsgesetzes um eine Grundsatzfrage. Das Arbeitsgesetz definiere minimale Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer. Mit dem Referendum wolle man gegen die Aushöhlung des Arbeitsgesetzes vorgehen.
Durch die Änderung des Arbeitsgesetzes werde in einem Teil des Detailhandels die Nacht- und Sonntagsarbeit eingeführt. «Das bedeutet einen Dammbruch und wird Auswirkungen auf den ganzen Detailhandel haben – aber auch auf andere Branchen», befürchtet Vania Alleva. Und spricht sich gegen die Einführung des «24-Stunden-Arbeitstages» aus.
«Frage des Sortiments»
Bundesrat Johann Schneider-Ammann teilt diese Befürchtungen im Zusammenhang mit der aktuellen Abstimmung nicht. Am 22. September gehe es nur um eine Sortimentserweiterung, um einen kleinen Korrekturschritt im Arbeitsgesetz. «Dadurch kann das Sortiment, welches in den betroffenen Tankstellenshops grundsätzlich vorhanden ist, die ganze Nacht durch zugänglich gemacht werden.» Denn die Kundenbedürfnisse hätten sich verändert.
Am Grundsatz des Nachtarbeits- und Sonntagsverbot werde nicht gerüttelt, der Arbeitnehmerschutz werde aufrechterhalten, hält der Bundesrat in der Diskussion fest. Der Schwyzer Nationalrat Alois Gmür (CVP) seinerseits versteht die Aufregung um die Gesetzesänderung nicht. Dabei gehe es nur um die Sortimentsbeschränkung. Es sei übertrieben, dass die Gewerkschaften deswegen das Referendum ergriffen hätten: «Man macht aus einer Mücke einen Elefanten.»
Klar definiert ist das künftige Sortiment jedoch nicht. Gemäss Pascal Richoz, Leiter Arbeitsbedingungen Seco, gibt es diesbezüglich keine exakte Definition. Das Sortiment soll aber in erster Linie auf die Bedürfnisse der Reisenden ausgerichtet werden.
Wie viele Shops sind betroffen?
Gewerkschafterin Alleva befürchtet, dass mit der Gesetzesänderung zahlreiche Shops eröffnet werden. Die Kriterien für die betroffenen Shops seien schwammig, hält Alleva fest. Anders sieht es Bundesrat Schneider-Amann. In der heutigen Diskussion gehe es um einen sehr eingeengten Kreis. Betroffen seien «Tankstellenshops auf Autobahnraststätten und an Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr». So seien 20-30 Shops betroffen.
Angeregt diskutiert wurde in der «Arena» über die Konsequenzen für das Personal in Tankstellenshops. Susanna Gubelmann, die Geschäftsführerin eines solchen Shops, bezeichnet die jetzigen Verhältnisse als mühsam für das Personal. «Es ist schwierig den Kunden zu erklären, wieso man z.B. eine Cervelat verkaufen darf (erlaubt, weil man diesen sofort essen könne), aber eine Bratwurst nicht.» Zudem sei das Personal sowieso anwesend. Es sei nicht so, dass die Leute mehr arbeiten müssten.
Der Grünliberale Martin Bäumle stellt zudem fest, dass jeder freiwillig in seinem Job arbeite. In der Nacht zu arbeiten, könne tatsächlich eine Belastung darstellen. Dafür erhalte man aber auch eine zusätzliche Entschädigung.
Dem widerspricht Vania Alleva. Im Arbeitsgesetz sei ein Lohnzuschlag bei unregelmässiger Nacht- und Sonntagsarbeit vorgesehen. Dieser entfalle aber, wenn man die Gesetzesänderung umsetzt, da es sich dann um «regelmässige Arbeit» handle.
Letztendlich gehe es in der Abstimmung um grundlegende Werthaltungen, sagt Theologe Thomas Wallimann-Sasaki, von Justitia et Pax/Schweiz. Bischofskonferenz: «Es geht um Einstellungen wie wir mit Konsum und mit Menschen umgehen. Was wichtiger ist und was weniger.» Die Freiheit des Menschen werde heute darauf reduziert, dass er das ganze Sortiment ausschöpfen kann.