Das Wichtigste in Kürze
- Die Chauffeure des Sixt Limousine Service wehren sich gegen einen neuen Arbeitsvertrag.
- Mit diesem sollen sie «per Saldo aller Ansprüche» auf Forderungen aus ihren alten Arbeitsverträgen verzichten.
- Für die Chauffeure ist klar: «Sixt will mit dieser Klausel verhindern, dass wir uns für Forderungen wehren, die uns noch zustehen.» Es geht dabei etwa um unbezahlte Präsenzzeiten.
- Das Unternehmen deutet gegenüber dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» an, die umstrittene Klausel noch einmal mit den Anwälten zu besprechen.
Die Chauffeure des Sixt Limousine Service in Rümlang beim Flughafen Zürich haben eine aufreibende Zeit hinter: Das Unternehmen hat im Herbst entschieden, die Chauffeure künftig nicht mehr im Stunden-, sondern im Monatslohn zu beschäftigen. Die Chauffeure waren über die Beschäftigung im Stundenlohn schon länger unzufrieden. Sie waren abhängig von der Anzahl Fahraufträge und mit starken Lohnschwankungen konfrontiert.
Die Chauffeure störte es aber vor allem, dass es häufig unbezahlte Präsenzzeiten gegeben habe: «Also Stunden, in denen wir erreichbar und sofort einsatzbereit sein müssen, die aber nicht bezahlt sind.» «Espresso» weiss, dass sich mindestens zwei ehemalige Angestellte des Nobel-Fahrdienstes juristisch gegen diese unbezahlten Präsenzzeiten gewehrt haben. Einer dieser Fälle endete mit einem Vergleich – beim anderen ist der Ausgang noch offen.
«Man will uns einen Maulkorb verpassen»
Eigentlich hätte bereits im März der Monatslohn eingeführt werden sollen. Festes monatliches Gehalt, Planungssicherheit, bezahlter Urlaub: Diese Vorteile des Monatslohns sollten also bereits Realität sein. Doch es gab Verzögerungen. Erst vor wenigen Wochen haben die Chauffeure den neuen Arbeitsvertrag per 1. Juni erhalten. Zufrieden sind sie nicht damit: «Damit will man uns einen Maulkorb verpassen», ärgern sie sich.
Sie sagen, Sixt wolle verhindern, dass auch sie sich gegen unbezahlte Präsenzzeiten wehrten. Tatsächlich erklären die Chauffeure mit ihrer Unterschrift, dass sie aus früheren Arbeitsverträgen «per Saldo aller Ansprüche abgegolten worden» sind. Eine juristische Klausel, über die «Espresso» schon mehrfach berichtet hat . Wer sie unterschreibt, bestätigt, dass er keine weiteren Forderungen aus einem Geschäft geltend machen kann.
«Vogel friss oder stirb»
Nun könnte man ins Feld führen, die Chauffeure hätten den Vertrag halt nicht unterschreiben sollen. So einfach ist es nicht: Um die neuen Verträge einzuführen, hat Sixt den Chauffeuren nämlich gekündigt. Sie sind nur noch bis Ende Mai angestellt.
Wer also nicht riskieren wollte, im Juni ohne Job dazustehen, musste innerhalb weniger Tage unterschreiben. Eine Bitte um Fristverlängerung hat Sixt abgelehnt. «Ganz nach dem Motto: Vogel friss oder stirb», bringt es ein Betroffener auf den Punkt.
Klausel ist «sehr unüblich in Arbeitsverträgen»
«Espresso» zeigt den Arbeitsvertrag Roger Rudolph, Arbeitsrechtsexperte und Professor an der Universität Zürich. Er kann den Unmut der Chauffeure nachvollziehen, auch wenn der Vertrag professionell gemacht sei und es legitim sei, dass ein Arbeitgeber seine Interessen vertrete.
Zur von den Chauffeuren besonders kritisierten Klausel «per Saldo aller Ansprüche» sagt Rudolph, eine solche sei in Arbeitsverträgen sehr unüblich: «Man muss vermuten, dass tatsächlich noch Forderungen bestehen, die der Arbeitgeber mit dieser Klausel elegant beseitigen will.» Und mit Blick auf die im Mai endenden Arbeitsverhältnisse: Es sei sehr stossend, wenn man den Mitarbeitenden praktisch keine andere Wahl lasse, als zu unterschreiben.
Sixt will «Wandel» zum Ausdruck bringen
In einer Stellungnahme schreibt Sixt, man müsse es «als klaren Konsens mit unseren Mitarbeitern werten», dass unterdessen alle Chauffeure den Vertrag unterschrieben haben. Und zur umstrittenen Klausel heisst es, mit dieser «soll der Wandel von den Stundenlohnverträgen zu den Festanstellungen zum Ausdruck gebracht […] werden». Es verstehe sich dabei «von selbst, dass auf gesetzlich zwingend geregelte Ansprüche vertraglich nicht verzichtet werden kann».
Arbeitsrechtsexperte Roger Rudolph überzeugt das nicht: Zwingende Ansprüche, wie etwa Ferienlohn, seien von Gesetzes wegen ohnehin geschützt. «Und im Umkehrschluss räumt Sixt faktisch ein, dass der Verzicht auf nicht zwingende Ansprüche sehr wohl beabsichtigt war.»
Wie es für die betroffenen Chauffeure weitergeht, ist offen. Sixt deutet an, die Verträge – insbesondere die Klausel «per Saldo aller Ansprüche» – nochmals anschauen zu wollen. In wenigen Tagen soll es zudem ein Gespräch geben mit den Chauffeuren.