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Archäologische Untersuchungen Basels Stadtgeschichte wird neu geschrieben – zumindest teilweise

Archäologische Funde auf Grossbaustellen geben neue Erkenntnisse über die spätrömische Zeit in Basel.

Gleich mehrere Grossbaustellen in Basel sorgten in den letzten Jahren für Lärm und bescheren Fussgänger und Autofahrern teilweise heute noch mühsame Umwege: Die Basler Einkaufsmeile Freien Strasse wird aufgerissen. An der Schifflände wurde soeben ein neues Verwaltungsgebäude fertiggestellt und nächste Woche geht das neue unterirdische Kunstmuseum-Parkhaus auf.

Was für die meisten ein Ärgernis bedeutet, ist für die archäologische Bodenforschung ein Eldorado. Denn während den Bauarbeiten kamen an allen drei Orten Funde aus der spätrömischen Zeit zutage, also aus den Jahren 250 bis 400 n. Chr. Dank ihnen muss die Basler Stadtgeschichte stellenweise umgeschrieben werden. «Für die spätrömische Zeit hat sich das Bild stark gewandelt», sagt Guido Lassau, Kantonsarchäologe und Chef der archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt.

Viel grösser als gedacht

Lange dachte man, dass zu Römerzeiten Basel nur eine kleine Siedlung ganz oben auf dem Münsterhügel war. Doch die Funde belegen: Die römische Siedlung war viel grösser und dehnte sich weit über den Münsterhügel aus. «Wir gehen davon aus, dass es rund um den Münsterhügel eine Talstadt - eine Suburbia - gab, die wir in dieser Grösse nicht vermutet haben».

In dieser Talstadt war beispielsweise das Gewerbe entlang des Nebenflusses Birsig angesiedelt, kurz bevor dieser in den Rhein fliesst. Heute verläuft der Birsig unterirdisch durch die Innenstadt. Damals gerbten die Menschen Leder mithilfe von Hundekot am Flussufer. Lassaus Team fand im Boden beim Spiegelhof kleine Schuhüberreste aus Leder sowie den grössten historischen Hundehaufen Europas.

Kamelknochen und Skelette von Kindern

Durch die spätrömische Siedlung am Rheinknie führte auch eine Fernstrasse, die sich im Norden bis an die Nordsee zog. Diese verlief auf dem Gebiet der heutigen Freie Strasse und des Spiegelhofs an der Schifflände. Hier machten die Archäologinnen einen besonders aufsehenerregenden Fund: einen Kamelunterkiefer. Kamele und Dromedare nutzten damals sowohl Händler als Lasttiere, wie auch die römische Armee als Reittiere. «Wahrscheinlich verendete das Kamel hier und wurde im Boden verscharrt», vermutet Lassau.

Kamelunterkiefer
Legende: Kamelunterkiefer Wie das Tier ans Rheinknie kam, ob als Reittier in der römischen Armee oder als Lasttier, ist unklar. Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt

Nicht minder interessant sind die Funde, die sein Team beim Bau des unterirdischen Parkrings neben dem Kunstmuseum gemacht hat. Neben vielen römischen Münzen stiessen sie auch auf zwei zugeschüttete Brunnen. In einem fanden sie Skelette von drei Erwachsenen und zwei Kindern. Offensichtlich wurden sie ziemlich achtlos in den Brunnen hineingeworfen.

Die Funde beim Kunstmuseum

«Es stellt sich die Frage, ob wir hier einem Verbrechen auf der Spur sind oder ob es eine kriegerische Auseinandersetzung gab», sagt Lassau. Denn zu dieser Zeit herrschten im römischen Reich Bürgerkriegswirren, die die Alemannen dazu animierten, immer wieder Überfälle auf spätrömische Siedlungen zu organisieren. Da Basel damals an der nördlichen Grenze des römischen Reichs lag, sei es gut möglich, dass diese Menschen Opfer eines solchen feindlichen Überfalls wurden.

Die Erkenntnisse der archäologischen Untersuchungen der letzten Jahre zeigen, dass bereits zu spätrömischen Zeiten ein wichtiger Grundstein für die spätere Bischofsstadt Basel gelegt wurden. Zutage kamen die Funde dank grosser Baustellen. Ein Trost für alle, die sich über die Bauarbeiten ärgern.

Regionaljournal Basel, 08.12.2021, 17.30 Uhr ; 

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