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«Arena»: Politik - am Volk vorbei?
Aus Arena vom 08.03.2013.
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Schweiz «Arena»: Politik – am Volk vorbei?

Gegen die Empfehlung von Wirtschaft und politischen Schwergewichten ist die Abzocker-Initiative deutlich angenommen worden. Nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren lief die Empfehlung des Parlaments damit ins Leere. Spüren die Volksvertreter ihr Volk nicht mehr? Darüber stritt die «Arena».

Mit der Volksinitiative verfügt das Schweizer Stimmvolk seit mehr als 120 Jahren über ein gewichtiges Instrument, sich in die Politik einzumischen. Tatsächlich Einfluss nahm es damit eher selten: Seit 1893 kamen auf Bundesebene rund 120 Volksinitiativen zustande, angenommen wurden gerade 20. Jüngstes Beispiel: die Abzocker-Initiative des parteilosen Schaffhauser Ständerates Thomas Minder.

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Minder darf seinen Erfolg an der Urne schon allein vor diesem Hintergrund feiern. Auch die Tatsache, dass seine Abzocker-Initiative sieben Jahre lang im Parlament zerfleischt wurde, am Ende aber von mehr als zwei Dritteln der Stimmbürger und von allen Ständen angenommen wurde, spricht für das Anliegen und die Standhaftigkeit des Schaffhausers.

«Wir müssen Initiativen ernster nehmen»

Bemerkenswert ist aber auch: Minders Initiative wurde – wie zuvor auch die nicht weniger umstrittenen Initiativen zum Minarettverbot, zur Ausschaffung krimineller Ausländer und zur Verwahrung von Sexualstraftätern – gegen die Empfehlung des Parlaments angenommen. Spüren die Volksvertreter vielleicht nicht mehr, was das Volk wirklich bewegt? Eine einfache Frage, auf die die «Arena»-Runde von Urs Wiedmer keine wirklich einfachen Antworten fand.

Immerhin: «Ich habe aus der Abstimmung am vergangenen Sonntag gelernt, dass wir Initiativen sehr viel ernster nehmen müssen», räumte der Berner Stadtpräsident und SP-Nationalrat Alexander Tschäppät im Verlauf der Diskussion ein – nicht wenige im Studio nickten zustimmend. 

«Volk nimmt das Steuer selbst in die Hand»

Tatsächlich habe die Durchsetzungskraft der Parteien nachgelassen, analysierte der Politikwissenschaftler Lukas Golder. «Das Volk nimmt das Steuer immer mehr selber in die Hand.» Neu sei, dass dies nun auch bei Wirtschaftsthemen der Fall sei. 

Wie aber liesse sich der Graben zwischen Parlament und Volk wieder schliessen? Indem sich mehr Unternehmer in Bundesbern engagierten, forderte unter anderem Thomas Minder. «Wir müssen den ganzen Tag kundenorientiert denken», so der Parteilose, selbst Chef eines mittelständischen Familienbetriebes. «Wir sind näher am Puls.» 

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Spätestens bei dieser Forderung aber war die Runde bei den allgegenwärtigen Lobbyisten in Bern angelangt. «Lobbyismus ist ein Problem», befand der Glarner SVP-Ständerat This Jenny. Wirtschaftsvertreter fänden heute nur noch den Weg nach Bern, wenn sie etwas wollten. «Selber engagieren aber wollen sie sich nicht.»

«Das geht soweit, dass wir unsere Badges für das Bundeshaus an die Lobbyisten weitergeben», empörte sich Thomas Minder. Häufig gehe es nur noch um Partikularinteressen. «Und dann erschrickt man, wenn aus irgendeiner Ecke eine Idee wie die Einheitskasse auftaucht – und am Ende kommt sie auch noch durch.»

«Wir sind alle irgendwie Lobbyisten»

Ist der Einfluss der Lobbyisten also zu gross, sind die Politiker zu wenig standhaft? Das wollte unter anderem die St. Galler FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter nicht auf sich sitzen lassen. «Man kann die Leute auch auf Abstand halten», wandte sie ein. «Ich nehme für mich in Anspruch, dass sich das mache, was ich für richtig halte. Und manchmal ist das auch die Position einer Economiesuisse.» Wichtig sei, so Keller-Sutter, dass es transparent sei.

«Wir sind alle irgendwie Lobbyisten – in eigener Sache», gab der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät zu bedenken. Das sei nicht grundsätzlich verwerflich. «Verdächtig wird es erst, wenn es direkte Abhängigkeiten gibt.»

«Effizienz ist gefragt»

Fast zwei Dutzend Initiativen sind derzeit bei Bundesrat und Parlament hängig – darunter so heikle Vorlagen wie die Mindestlohninitiative oder jene gegen die Überbevölkerung. Wie kann es der Politik gelingen, das Volk mitzunehmen? «Wir müssen es ernster nehmen», forderte Thomas Minder – und Initiativen schneller bearbeiten. «Es muss möglich sein, dass der Bundesrat einen Gegenvorschlag innerhalb von drei Monaten verabschiedet», sagte er in Anspielung auf das endlose Hin und Her bei seiner Abzocker-Initiative. Effizienz sei gefragt, kein «Kompromisswahnsinn», mit dem man allen Seiten gerecht werden wolle. 

Dass es manchmal schneller gehen müsse, räumte auch Karin Keller-Sutter ein. «Ich bin auch nicht der Meinung, dass man überall einen Gegenvorschlag machen muss – sei es einen direkten oder einen indirekten.» Manchmal müssten die Vorlagen dem Volk einfach vorgelegt werden. «Aber es gibt schon Initiativen, die in meinen Augen gefährlich sind – die 1:12-Initiative oder jene zum Mindestlohn etwa.» Kämen diese durch, sei das Schweizer Erfolgsmodell gefährdet, das auf wenigen  staatlichen Eingriffen und Selbstverantwortung basiere. «Wenn das einreisst, würden wir den Wohlstand in unserem Land schädigen.»

«Wir müssen die Diskussion um mehr Gerechtigkeit in diesem Land viel intensiver und viel glaubwürdiger führen», gab Alexander Tschäppät am Schluss zu bedenken. «Die Abstimmungen haben gezeigt, dass sehr viele Menschen sich ungerecht behandelt fühlen. Wenn wieder mehr Anstand einzieht, dann müssen wir auch nicht mehr so viel über die Gesetzgebung diskutieren.»

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