In Europa gibt es aktuell so grosse Fluchtbewegungen wie schon lange nicht mehr – eine Entspannung ist nicht in Sicht. Das bringt auch Schweizer Gemeinden an den Anschlag.
«Die Gemeinden haben im letzten Jahr eine enorme Leistung erbracht», sagte Jeanine Glarner, Gemeindepräsidentin in Möriken-Wildegg/AG, in der «Arena». Es sei ein grosser Aufwand, die Personen unterzubringen und sie zu betreuen. Neben den 60 Personen, die die Gemeinde bis Ende letzten Jahres aufgenommen hat, sollen nun 140 weitere Geflüchtete in ein ehemaliges Hotel einziehen. Der Entscheid schüre auch Ängste, sagte Glarner.
«Wenn viele Geflüchtete in die Gemeinde kommen, entsteht anfangs eine gewisse Unruhe», sagte auch Pfarrer Daniel Winkler. Doch diese Menschen gehörten zu den verletzlichsten und schwächsten Gliedern der Gesellschaft. «Sie haben alles verloren und kommen in ein Land mit fremder Sprache und neuen Regeln.» Die private Unterbringung habe sich bei der Aufnahme von Ukrainerinnen und Ukrainern als Erfolgsrezept erwiesen. Winkler sieht darin deshalb auch Potenzial für andere Geflüchtete.
Wer gilt als schutzbedürftig?
Für SVP-Nationalrätin Martina Bircher ist jedoch klar, «es kommen zu viele und die Falschen». Nur ein Drittel sei effektiv nach Genfer Flüchtlingskonvention an Leib und Leben bedroht. Die Mehrheit käme aus anderen Gründen, vor allem auch wirtschaftlichen. «Dass wir ein riesiges Problem haben, wurde spätestens dann jedem bewusst, als Schweizer Bürger ausziehen mussten, damit Asylsuchende untergebracht werden konnten.»
Bircher sieht eine Lösung in der vorgezogenen Abwicklung des Asylverfahrens, entweder in sogenannten neutralen Zonen an der Schweizer Grenze oder in Drittstaaten.
«Was unterscheidet ein Kriegsflüchtling aus Syrien von einem aus der Ukraine?», fragte Sanija Ameti, Co-Präsidentin Operation Libero daraufhin. Ameti plädierte für einen Asylstatus, der geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainern und vorläufig aufgenommene Geflüchtete aus anderen Ländern gleichstellen und ihnen dieselbe Perspektive bieten würde.
Zudem sollte das Botschaftsasyl wieder eingeführt werden, so Ameti weiter. Dadurch könnten Menschen Asyl in der Schweizer Botschaft in ihrem Herkunftsland beantragen und müssten nicht erst ihr Leben riskieren.
«Es ist polemisch, wenn man so tut, als wäre die Schweiz unsolidarisch», sagte Mitte-Ständerat Benedikt Würth. Die Schweiz mache bereits sehr viel. Das Problem sei ein gesamteuropäisches. Handlungsbedarf sieht Würth etwa an den Aussengrenzen derjenigen Staaten, die besonders belastet sind. «Die Schweiz muss Staaten wie Italien und Griechenland, die die Hauptlast tragen, verstärkt beim Grenzschutz unterstützen.»
Einig waren sich die Gäste darüber, dass das Dublin-System reformiert werden müsse. Das Dublin-Abkommen basiere auf ungerechten Grundlagen, sagte etwa SP-Nationalrat Jon Pult: «Es kann nicht sein, dass diejenigen Staaten, die an Konfliktgebiete oder ans Mittelmeer grenzen, die ganze Last tragen müssen.»
Die rechte Regierung Italiens müsse sich an die Regeln halten und Geflüchtete zurücknehmen, für deren Asylgesuch es zuständig wäre, sagte Pult. In der gleichen Logik wie die italienische Regierung hetze auch die SVP gegen Menschen, die auf der Flucht sind.