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«Arena» zur Klimapolitik Hitziger Schlagabtausch zum Klimaurteil

Die Schweiz kassiert eine Rüge aus Strassburg: Sie mache zu wenig für den Klimaschutz. Auch Tage danach beschäftigt das Klimaurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Politik – und lanciert die Debatte um den Weg zum Netto-Null-Ziel neu.

Zehn Tage ist es her, seit das höchste europäische Menschenrechtsgericht ein historisches Urteil gefällt hat: Die Schweiz mache zu wenig im Kampf gegen den Klimawandel, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR vergangene Woche. Dadurch verletze sie die klagenden Seniorinnen – sie gehören dem Verein Klimaseniorinnen an – in ihren Menschenrechten.

Die Gäste in der «Arena»:

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Moderiert von Sandro Brotz.

Das Urteil sorgt auch Tage danach für hitzige Diskussionen. SVP-Nationalrat Christian Imark kritisiert in der «Arena» den EGMR scharf: «Es geht um eine Ausweitung der Kompetenzen dieses Gerichts. Das steht ihm nicht zu.» Mit dem Entscheid mische sich der EGMR in die Schweizer Politik ein.

Es geht um eine Ausweitung der Kompetenzen dieses Gerichts. Das steht ihm nicht zu.
Autor: Christian Imark Nationalrat (SVP/SO)

Ganz anders sieht das die Fraktionschefin der Grünen, Aline Trede. Das Gericht habe einzig festgestellt, dass die Schweiz mit den bis anhin beschlossenen Massnahmen ihre Klimaziele nicht erreichen werde. Von einer Einmischung in die Schweizer Klimapolitik könne keine Rede sein.

Macht die Schweiz genug?

Dem EGMR-Urteil zugrunde liegt unter anderem das Klimaabkommen von Paris. Ausgehend davon will die Schweiz bis 2050 das Netto-Null-Ziel erreichen. Heisst: Ab 2050 muss die schweizweite Treibhausgasbilanz ausgeglichen sein. Die Bevölkerung hat das Ziel mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes im vergangenen Jahr bestätigt.

FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen verweist darauf, dass es der Schweiz als einem von wenigen Ländern gelungen sei, das Wirtschaftswachstum vom CO2-Ausstoss zu entkoppeln. Es gehe schon jetzt viel. Und zwar «weil es wirtschaftlich interessant ist, sozialverträglich ist und ökologisch Sinn macht.»

Konkrete Massnahmen beschliesst das Parlament unter anderem im CO2-Gesetz. Umstritten ist, wie weit diese gehen sollen. Juso-Präsident Nicola Siegrist sagt: «Mit dem CO2-Gesetz, das wir jetzt haben, sind wir immer noch weit entfernt davon, unsere Ziele zu erreichen.»

Dem pflichtet Nationalrätin Trede bei. Nebst strengeren Nachhaltigkeitsvorschriften für den Finanzplatz plädiert sie dafür, den Klimaschutz als Chance zu sehen. Dieser verursache zwar Kosten, allerdings werde es noch viel teurer, wenn man gar nichts mache.

Von Nachhaltigkeitskriterien für Banken hält Christian Imark wenig. Er warnt davor, dass durch eine solche «Investitionspolizei» der Finanzsektor kaputtgehe, weil die Firmen ins Ausland abwandern würden. Solche Vorschläge seien realitätsfremd.

Klimaaktivismus sorgt für Unmut

Das Klimaurteil des EGMR bringt nicht nur Schwung in die politische Debatte. Auch Klimaaktivistinnen und -aktivisten machen seither wieder vermehrt mit Aktionen von sich reden – unter anderem am Sechseläuten in Zürich, wo sich Mitglieder der Gruppierung «Drop Fossil Subsidies» eine schwarze Flüssigkeit über die Köpfe leerten und den Festumzug blockierten.

FDP-Nationalrat Wasserfallen hält solche Aktionen für kontraproduktiv: «Ich glaube, das Wahlresultat der Grünen wurde namhaft beeinflusst davon.»

Ich hoffe, dass niemand mehr für das Klima auf die Strasse gehen muss.
Autor: Nicola Siegrist Präsident Juso Schweiz

Nicola Siegrist hingegen zeigt sich frustriert, dass trotz der grossen internationalen Klimabewegung das Klimaabkommen nicht umgesetzt werde: «Ich hoffe, dass niemand mehr für das Klima auf die Strasse gehen muss.» Er fordert deshalb mehr Tempo und mehr Mut in der Klimapolitik.

Arena, 19.04.24, 22:25 Uhr

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