Die Schweiz verbuchte letztes Jahr sehr wenige Asylgesuche, nämlich rund 11'000. Noch im Vorjahr waren es über 14’000 Gesuche – 2015 waren es gar an die 40’000. Grund für die tiefen Zahlen im vergangenen Jahr war die Corona-Pandemie. Die Grenzen waren geschlossen, Flüchtlingen war so die Reise noch mehr erschwert als in normalen Zeiten.
Mit dem Abebben der Pandemie werden nun die Grenzregime wieder lockerer. Schon in diesem Jahr werden die Asyl-Zahlen gemäss dem Staatssekretariat für Migration SEM deshalb wieder leicht ansteigen – auf rund 15'000 Anträge .
In den Jahren danach rechnet das SEM mit einem weiteren Anstieg. «Wir können noch keine konkreten Zahlen nennen, aber wir gehen von einer Zunahme der Gesuche aus. Dies, nachdem wir in den letzten Jahren historische Tiefstände verzeichnet haben», sagt Lukas Rieder, Sprecher des SEM.
Verstärkte Flucht aus Afrika
In den letzten 12 Monaten kamen die Flüchtlinge vor allem aus Afghanistan, Algerien, Marokko, der Türkei, Irak und Syrien. Das SEM erwartet nun vor allem aus diversen nord- und westafrikanischen Staaten eine Zunahme.
Der Grund: Viele dieser afrikanischen Länder, denen es vor der Pandemie schon finanziell schlecht ging, geht es heute wegen der Pandemie noch schlechter. Vor allem die Perspektiven für Junge schwinden in diesen Ländern zunehmend.
Damit steigt laut dem SEM der Abwanderungsdruck. Zudem, so das SEM, «ist es möglich, dass es in einzelnen Staaten infolge der schlechten ökonomischen Lage zu gesellschaftlichen Unruhen kommt.» Dies verstärke den Druck zusätzlich, ein Land zu verlassen.
Sobald die Covid-19-Massnahmen auch in den Herkunftsländern und entlang der Migrationsrouten wegfallen, «ist eine Zunahme der Migration in Richtung Europa wahrscheinlich.» Dies vor allem ab dem Jahr 2022.
Vorschläge aus der Politik
Die steigenden Zahlen rufen Politikerinnen und Politiker von links wie von rechts auf den Plan. Bedrohte Menschen sollen auf der Schweizer Botschaft Asyl beantragen können. Dies fordert SP-Ständerat Daniel Jositsch in einem Vorstoss.
«Heute ist es fast nicht möglich für Personen, die einen rechtlichen Anspruch auf Asyl haben, einen Antrag in jenem Land zu stellen, in dem sie sich befinden. So müssen sie auf illegale Weise nach Europa oder in die Schweiz kommen.» Das sei unzumutbar, beispielsweise für Familien mit Kindern. Jositsch verweist dabei auf die Todesopfer im Mittelmeer.
«Die Flüchtlinge müssen sich mit illegalen Schleppern auf zusammengeflickten Booten durchkämpfen.» Für Jositsch ein unhaltbarer Zustand. Die ablehnende Haltung des SEM zum Vorschlag kann er nicht nachvollziehen: «Angesichts dieses schockierenden Zustands ist etwas mehr Administration ein vernünftiger Preis.»
Verfahren in einem Drittstaat durchführen
Die SVP bringt indes gleich vier Vorschläge ins Spiel. Der Spektakulärste unter ihnen: Asylverfahren für die Schweiz sollen in einem Drittstaat durchgeführt werden. Das Schweizer Asylzentrum stünde dann etwa in einem afrikanischen Staat. Ein Vorteil, wie Martina Bircher von der SVP sagt: «Das heisst, die vorläufig Aufgenommenen bleiben dann nicht in der Schweiz, sondern sie bleiben dann in diesem Drittstaat.»
Der SVP nimmt dabei Dänemark als Vorbild. Unlängst hat das dänische Parlament einem entsprechenden Gesetz zugestimmt. Bis jetzt war allerdings kein Land zur Zusammenarbeit mit Dänemark bereit.