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Asylrecht in der Coronakrise Ist das Vorgehen der Schweiz rechtens?

Die Grenze ist für Asylsuchende geschlossen. Die Flüchtlingshilfe sieht darin einen Verstoss gegen das Völkerrecht.

Zweimal trat Justizministerin Karin Keller-Sutter während der Corona-Krise schon vor die Medien. Sie verkündete jeweils schärfere Kontrollen an den Aussengrenzen.

Beide Male äusserte sie sich auch zu Asylsuchenden und betonte, dass diese gleichbehandelt würden wie alle Anderen: «Für sie gilt ebenfalls ein Einreiseverbot, da sie ihr Asylgesuch in Frankreich, Deutschland, Italien oder Österreich stellen können. Damit befinden sie sich innerhalb der Schengen-Binnengrenze.» Die Dublin-3-Verordnung sehe dies ausdrücklich so vor.

Wie ist dies zu verstehen?

Doch es stellt sich die Frage, was die Justizministerin damit genau meinte. Denn wenn ein Asylsuchender etwa von Italien kommend in der Schweiz ein Asylgesuch stellt, muss die Schweiz dieses Gesuch prüfen, auch wenn der Asylsuchende bereits in Italien ein Gesuch gestellt hat.

Auf Nachfrage präzisiert nun das Staatssekretariat für Migration: «Bildlich gesprochen: Wer an der Schweizer Grenze steht und nicht auf Schweizer Territorium sein Asylgesuch anmeldet, dem wird beschieden, sich an die Behörden desjenigen Staates zu wenden, auf dessen Territorium er sich befindet.»

«Einreise verweigert»

Die Justizministerin spricht also von Personen, die von Italien aus ein Gesuch in der Schweiz stellen. Und um zu verhindern, dass die Menschen Schweizer Territorium erreichen, schreckt die Schweiz auch nicht vor drastischen Massnahmen zurück, wie das Staatssekretariat weiter schreibt: «Gestützt auf die Artikel 3 der Coronavirus-Verordnung wird Personen, die bei der Kontrolle an der Schweizer Landesgrenze ein Asylgesuch stellen wollen, die Einreise verweigert.»

Die Schweiz beruft sich dabei auf Art. 20 der Dublin-Verordnung. Dort heisst es, dass jener Staat für die Prüfung eines Asylgesuches zuständig ist, auf dessen Hoheitsgebiet sich die Person befindet.

Flüchtlingshilfe widerspricht

Auch Eliane Engeler von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe kennt diesen Artikel der Dublin-Verordnung. Gleichwohl widerspricht sie der Haltung des Bundes grundsätzlich: «Das ist völkerrechtswidrig. Asylsuchende an der Grenze abzuweisen, ohne ihnen den Zugang zu einem Asylverfahren zu gewähren, verstösst gegen zwingendes Völkerrecht. Und es verstösst gegen die Dublin-Verordnung.»

Jeder Mensch habe das Recht auf ein faires Asylverfahren. Zudem müsse die Schweiz im Rahmen der Dublin-Verordnung bei jedem Fall abklären, welches Land für ein Verfahren zuständig sei: «Die Schweiz muss diese Person einreisen lassen und ein Dublin-Verfahren durchführen. Das Recht, um Asyl zu ersuchen ist ein Grundrecht und gilt auch in Krisenzeiten.»

Trotzdem hält das Staatssekretariat für Migration an seiner Haltung fest, es gebe kein völkerrechtlich verbrieftes Recht, dass eine Person ein Asylgesuch stellen könne. Die Menschen könnten dies in Italien, Frankreich, Deutschland oder Österreich tun.

Wer hat recht?

Das deutsche Institut für Menschenrechte berät den deutschen Bundestag und die deutsche Regierung in Menschenrechts- und Flüchtlingsfragen. Zum vorliegenden Sachverhalt sagt es, die Flüchtlingshilfe habe recht.

So spricht einiges dafür, dass sich die Schweiz während der Corona-Krise über Völkerrecht und Dublin hinwegsetzt. Dabei spielt es keine Rolle, dass aktuell nur wenige in der Schweiz ein Asylgesuch stellen, wie es heisst. Es geht um eine Grundsatzfrage. Die Betroffenen könnten dies einklagen.

Rendez-vous vom 26.03.2020

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