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Asylsuchende in der Schweiz Türkei – aus keinem anderen Land kommen mehr Asylsuchende

Kein anderes Land der Welt hat laut den Vereinten Nationen (UNO) so viele Geflüchtete aufgenommen wie die Türkei. Kein Wunder, ist Migration in der Schlussphase des Wahlkampfs zwischen Präsident Erdogan und Herausforderer Kilicdaroglu das prägend Thema.

Allerdings flüchten die Menschen nicht nur in die Türkei, sondern auch aus der Türkei. Schon in den vergangenen Jahren gewann das Land in der Asylstatistik zunehmend an Bedeutung.

Seit Februar stehen Türken und Türkinnen ganz oben in der Schweizer Asylstatistik, noch vor Geflüchteten aus Afghanistan, Syrien oder Eritrea. Ausgenommen sind die Schutzsuchenden aus der Ukraine.

Kurden und Anhänger der Gülen-Bewegung

«Seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 ist die Situation für gewisse Gruppen deutlich angespannter geworden», sagt Lukas Rieder vom Staatssekretariat für Migration (SEM).

Flüchteten früher vor allem Kurden und Kurdinnen aus der Türkei, kamen in den vergangenen Jahren Menschen dazu, die der religiös-sozialen Gülen-Bewegung nahestehen – oder nahestehen sollen. Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als terroristische Vereinigung und soll laut der Regierung für den Putschversuch 2016 verantwortlich sein.

Seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 ist die Situation für gewisse Gruppen deutlich angespannter geworden.
Autor: Lukas Rieder Sprecher im Staatssekretariat für Migration (SEM)

Politische Verfolgung sei der Hauptgrund für die zunehmenden Asylgesuche, sagt auch Lionel Walter von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe: «Die Türkei ist weltweit das Land mit den meisten ‹Terroristen› – ich sage das in Anführungszeichen.» Die Anti-Terror-Gesetze erlaubten, eine sehr hohe Zahl an Menschen als Terroristen einzustufen und einzusperren.

Verfolgung gut dokumentiert

Die vielen Verfahren führen dazu, dass Betroffene in der Schweiz ihre Fluchtgründe besonders gut nachweisen könnten. Manche brächten auch gleich die Akten aus einem türkischen Strafverfahren mit, erklärt Walter. «Wir haben schon den Eindruck, dass die Betroffenen recht gut dokumentiert sind.»

Neben der Verfolgung der Opposition sind auch die wirtschaftlichen Perspektiven in der Türkei schlecht. Die jährliche Teuerung liegt bei 44 Prozent. Nur wegen der Inflation dürften allerdings die wenigsten flüchten. Denn Asyl erhält in der Regel nur, wer nachweisen kann, dass er oder sie persönlich bedroht ist, etwa aufgrund politischer Überzeugungen.

Überdurchschnittlich viele positive Bescheide

Die Asylsuchenden aus der Türkei würden allerdings überdurchschnittlich oft positiven Bescheid erhalten, heisst es beim Staatssekretariat für Migration: «Über 60 Prozent der Asylsuchenden aus der Türkei werden als Flüchtlinge anerkannt.»

Dazu kommen jene mit einer vorläufigen Aufnahme, was die sogenannte Schutzquote auf über zwei Drittel hebe. «Das zeigt, dass vor allem jene Menschen in der Schweiz Schutz suchen, die diesen Schutz auch wirklich benötigen», sagt SEM-Sprecher Lukas Rieder.

Über 60 Prozent der Asylsuchenden aus der Türkei werden als Flüchtlinge anerkannt.
Autor: Staatssekretariat für Migration (SEM)

Die Türkei dürfte als Land der Geflüchteten weiterhin wichtig bleiben, als Aufnahmeland für Menschen aus Syrien oder Afghanistan. Für die Schweiz aber vor allem als Herkunftsland von Menschen, die aus der Türkei flüchten.

Echo der Zeit, 27.05.2023, 18:00 Uhr

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