Gewichtig sind die Vorwürfe, die gegen die Leiterin der Kollektivunterkunft in Mühleberg vorliegen: «Ich war fast täglich mit Angst konfrontiert, da ich nicht wusste, wie die Stimmung meiner Vorgesetzten sein wird», sagt Qendresa Zogu, eine ehemalige Mitarbeiterin.
Sie arbeitete rund ein Jahr in der Kollektivunterkunft. Dort leben Asylsuchende, vorläufig aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge. Rund 70 Personen sind es, darunter elf Kinder. Auch sie seien von der Leiterin beleidigt worden, sagt Zogu.
«Wenn die Kinder Unordnung in der Spielecke hinterliessen oder ihr Essen nicht am Tisch gegessen haben, wurde die Leiterin verbal laut und aggressiv», so Qendresa Zogu. Auch sonst seien die Eltern verbal angegangen worden: «Schaut wie schmutzig die Kleider deines Kindes sind, wann hast du dir das letzte Mal die Haare gewaschen?»
Sie bezeichnete einen Klienten vor dem Team als Lügner, Vollidiot und Arschloch.
Die E-Mail eines Bewohners an seine Sozialarbeiterin – er klagte über gesundheitliche Probleme – habe die Leiterin vor dem ganzen Team so kommentiert: «Ich kenne solche Leute, fallt nicht darauf rein und gebt ihm keine Aufmerksamkeit.» Sie habe den Klienten darüber hinaus als Lügner, Schauspieler, Vollidiot und Arschloch bezeichnet, sagt Zogu.
SRK: laut Untersuchung bestehe kein Handlungsbedarf
Die Kollektivunterkunft in Mühleberg wird im Auftrag des Kantons Bern vom Schweizerischen Roten Kreuz betrieben. Dieses habe die Vorwürfe sehr ernst genommen und eine Untersuchung gemacht, sagt Joel Meir, Geschäftsführer des SRK-Bern.
Wir haben alles geprüft und können die gemachten Vorwürfe nicht nachvollziehen.
«Wir haben diverse Gespräche auf diversen Ebenen geführt. Unter anderem auch mit den Bewohnenden. Wir haben zugehört und konnten keine expliziten Vorwürfe an die Zentrumsleitung feststellen. Deshalb können wir die Vorwürfe nicht nachvollziehen», sagt Meir weiter.
Über den Inhalt dieser Gespräche kann Meir aus Personen- und Datenschutzgründen keine Auskunft geben. Sie hätten die Situation aber genau analysiert und bei Bedarf auch entsprechend gehandelt: «Wenn wir sehen, dass es begründete Vorwürfe und Verstösse gibt, handeln wir gemäss unseren Personalprozessen. Das kann im Extremfall zur Kündigung führen.» Das sei aber in diesem Fall nicht nötig gewesen.
Kanton nimmt keine Stellung
Obwohl die Kollektivunterkünfte – rund 40 sind es im ganzen Kanton Bern – von Leistungserbringern wie dem Roten Kreuz betrieben werden, hat letztlich der Kanton die Verantwortung für die Asylsuchenden, Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen.
Aus diesem Grund sei in den Leistungsverträgen klar festgehalten, dass die Leistungserbringer – in diesem Fall das SRK-Bern – eine Auskunftspflicht haben. Das heisst, dass der Kanton informiert werden muss, wenn es Probleme gibt.
Das funktioniere, sagt Gundekar Giebel, Mediensprecher der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern. «Wir sind sehr gut informiert und statten den verschiedenen Unterkünften auch unregelmässig Besuche ab, um die Situation selbst zu überprüfen.»
Es sieht so aus, also ob das SRK die Probleme selbstständig lösen könnte
Auch über die Situation in Mühleberg sei man beim Kanton im Bild: «Wir haben uns beim SRK-Bern erkundigt. Es sieht so aus, als wenn das ein Problem wäre, welches das SRK selbstständig lösen kann. Aus diesem Grund nehmen wir keine Stellung zum Fall.»
Die Antworten des SRK und des Kantons stimmen die ehemalige Mitarbeiterin Qendresa Zogu nicht zufrieden. Aus diesem Grund hat sie vergangenen Mittwoch eine Beschwerde beim Kanton eingereicht. Dieser bestätigt den Eingang.