Jürgen Trittin, der grüne Politiker und frühere deutsche Umweltminister, hat sich in den letzten Monaten intensiv mit den Kosten für die Stilllegung und Entsorgung der deutschen Kernkraftwerke auseinandergesetzt. Als Chef einer Expertenkommission arbeitete er eng mit den Kraftwerkbetreibern zusammen. Gestern hiess die deutsche Regierung seinen Vorschlag für eine Neuregelung der Entsorgungskosten gut.
Dabei lässt eine bestimmte Zahl aufhorchen. Trittin bestätigt gegenüber SRF News: «Die reinen Stilllegungs- und Rückbaukosten, nicht eingerechnet die Zwischen- und Endlagerung, belaufen sich nach den heutigen Berechnungen auf 60 Milliarden Euro.»
60 Milliarden für den Rückbau von gut 30 grösseren Reaktoren. Das macht sage und schreibe zwei Milliarden Euro pro Reaktor. Trittin weist die Vermutung «grüner Schwarzmalerei» zurück: «Es sind die Beträge, welche die Betreiber bisher in ihren Bilanzen zurückgestellt haben. Diese sind attestiert durch die Wirtschaftsprüfer und auch nochmals durch unsere Kommission überprüft worden.»
Trittin weist also den Vorwurf von sich, mit diesen Zahlen Politik zu machen. Er verweist auch auf eine EU-Studie, die den Deutschen attestiert, sehr solide kalkuliert zu haben. Andere Staaten wie etwa Tschechien rechnen die Kosten für die Stilllegung dreimal tiefer ein. Trittin hält diese Annahmen für «völlig weltfremd» und verweist auf die Erfahrungen mit den Abrissen in Würgassen und Stade sowie mit dem laufenden Rückbau in Obrigheim.
Das halte ich aufgrund der Erfahrungen mit Würgassen, Stade und Obrigheim für völlig weltfremde Annahmen.
«Völlig weltfremd» wären demnach auch die Schweizer Berechnungen. Denn hierzulande geht man derzeit von drei Milliarden Franken Stilllegungskosten für alle fünf Reaktoren aus. Das macht gerade einmal 600 Millionen pro Reaktor. Die Schweiz rechnet damit ebenfalls mit dreimal geringeren Stilllegungskosten als Deutschland.
Muss die Schweiz bald korrigieren?
Raimond Cron, Präsident der Verwaltungskommission des Stilllegungs- und Entsorgungsfonds der Kernkraftwerke, sagt dazu: «Ich kenne die Zahlen von Trittin nicht. Ich halte mich an unsere Berechnungen, die neutral überprüft worden sind.
Ich habe keinen Grund, an der Richtigkeit der Schweizer Zahlen zu zweifeln.
Die Schweizer Zahlen werden alle fünf Jahre neu berechnet. Die nächste Berechnung wird voraussichtlich kurz vor Weihnachten veröffentlicht. Das letzte Mal waren die Kostenprognosen um knapp einen Viertel erhöht worden.