Es ist wohl eine der komplexesten Baustellen der Schweiz. Seit zwei Jahren wird das AKW Mühleberg Stück für Stück entkernt und abtransportiert. 17'000 Tonnen Material demontieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Werk.
47 Jahre war die Anlage in Betrieb. Bis 2030 höhlen die Arbeiterinnen und Arbeiter das Kernkraftwerk komplett aus. Es geht nur langsam vorwärts, wie ein Augenschein vor Ort zeigt. Von aussen sieht das AKW aus wie immer. Aber im Innern wird die Anlage verschrottet. Auch die hoch radioaktiven Brennelemente befinden sich nach wie vor im Kraftwerk. Sie lagern in einem Wasserbecken im Reaktor.
Erste Brennelemente abtransportiert
Vor wenigen Wochen ging nun der erste Transport in Richtung Zwischenlager in Würenlingen AG. «Der Abtransport der Brennelemente ist wirklich der wesentliche Meilenstein im gesamten Rückbauprojekt», sagt Stefan Klute, Leiter Stilllegung und Entsorgung Kernkraftwerk Mühleberg zu SRF.
Man habe den Rückbau in zwei wesentliche Phasen unterteilt: einmal mit Brennelementen in der Anlage und einmal ohne. «Je früher wir die Brennelemente vom Areal wegtransportieren, desto besser ist das für das Gesamtprojekt», so Klute. Der Abtransport findet in mehreren Phasen statt und dauert bis Ende 2023.
100'000 Kisten für AKW-Schrott
Abgedichtete Überzüge, Atemhilfe – in Vollmontur zerlegen Mitarbeiter in einem anderen Bereich des Atommeilers ein 120 Meter langes Rohr, aus dem früher Dampf aus dem Atomreaktor kondensierte, elf Meter unter dem Boden.
Das über 600 Tonnen schwere Stahlrohr wird zerstückelt und dann in Kisten gepackt. Nicht nur die Radioaktivität ist hier heikel. Auch ein Bitumen-Anstrich an den Rohrwänden kann Gift freisetzen.
Aus diesem Grund ist auf der Baustelle des AKW Mühleberg Schrott nicht einfach Schrott. Die Teile werden zuerst mit einem Hochdruckreiniger und dann mit Strahlgranulat gereinigt. Danach kontrollieren Arbeiter mit Strahlenmessgeräten, ob die Teile wirklich dekontaminiert und sauber sind.
Erst nach diesem aufwändigen Prozedere geht das Material nach draussen. Dort lagert der AKW-Schrott in Kisten, bevor er rezykliert wird. «Bei 17'000 Tonnen Material kommen wir auf über 100'000 Kisten», sagt Klute weiter. Alle werden kontrolliert und mit QR-Code versehen, um die Herkunft rückverfolgen zu können - eine riesige Logistikübung.
Asbest sorgt für böse Überraschungen
Bei einem derart aufwändigen Projekt ist man vor Überraschungen nicht gefeit. So haben die Bauspezialisten viel mehr Asbest vorgefunden als erwartet.
Die einstige Wärmedämmung bringt den Rückbau-Fahrplan durcheinander, am einen Ort wurde der Rückbau monatelang gebremst, dafür zog man andere Baustellen vor. Klute: «Umstellen gehört zum Tagesgeschäft. Flexibilität, dass wir auf unvorhergesehene Sachen reagieren können, ist die oberste Prämisse bei der Koordination von Baustellen.»
Der Asbestabfall – auch er wird freigemessen, bevor er entsorgt wird. In orange Säcke verpackt, liegt er in einer Halle. Nun wartet er mit dem restlichen Schrott auf die Kontrolleure des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI, die hier nochmals Strahlenmessungen machen. Auch das ist Teil der riesigen Logistik.