Es ist ein ruhiger Frühlingstag, als die Nachricht des Kriegsausbruchs die «Kyiv Soloistis» in Italien erreicht. Erst gerade am Abend zuvor sind sie auf ihrer Europatournee angereist - nun wachen sie mit einer Schreckensmeldung auf. Mit einer russischen Invasion haben die meisten Musikerinnen und Musiker des ukrainischen Kammerochesters nicht gerechnet.
Ein schwarzer Tag sei der 24. Februar für sie gewesen, der Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine, sagt die 27-jährige Violinistin Kateryna Mysechko. «Wir waren einfach nur schockiert und wussten nicht mehr, was wir tun sollten», erinnert sich die Musikerin zurück.
«Ich habe in meinem Kühlschrank noch viele Esswaren, die ich extra für meine Rückkehr übriggelassen hatte», meint der Direktor des ukrainischen Orchesters, Anatolii Vasylkivsyi, und ergänzt mit leiser Stimme: «Ich hatte Zukunftspläne.» Mit einem Schlag sei alles anders geworden.
Wir waren einfach nur schockiert und wussten nicht mehr was wir tun sollten.
Die Musikerinnen und Musiker entschieden sich spontan, ihre Tournee zu verlängern, machten auch Halt in Basel. Dort spielten sie am Donnerstag gemeinsam mit dem Basler Kammerorchester. Der Kontakt kam über den Hornisten Konstantin Timokhine zustande. Er hat selber Wurzeln in der Ukraine, ist schon länger beim Basler Kammerorchester engagiert: «Mir war sofort klar: Ich muss das Kiewer Kammerorchester in die Schweiz holen, ich muss mein Orchester dazu bringen, dass wir sie einladen», sagt er. Mit Hilfe von Sponsoren wurde das Konzert innert zwölf Tagen organisiert.
Sich selbst in Sicherheit zu wähnen und zu musizieren, während Freunde und Verwandte um ihr Leben kämpfen, sei unerträglich, sagt Violinistin Kateryna Mysechko: «Zu wissen, dass es Ukrainerinnen und Ukrainer gibt, die aktuell weder Wasser noch Elektrizität haben, zerreisst mir das Herz.»
Wie weiter? Unklar!
Ein Teil des Ensembles besteht aus Männern, die eigentlich im wehrpflichtigen Alter sind, aus Frauen, die ihre Männer in der Ukraine wissen, aus getrennten Paaren, Familien. Jede und jeder der «Kyiv Soloistis» trägt ein schweres Schicksal.
Wie es für die Musikerinnen und Musiker nun weitergehen soll, ist noch nicht klar. Bis auf weiteres soll die Europatournee nun einfach weiterlaufen. Ganz leicht fällt das dem Direktor der «Kyiv Soloistis», Anatolii Vasylkivsyi, aber nicht: «Es macht mir Mühe, so Musik zu spielen. Meine Gedanken sind ganz bei meiner Familie in der Ukraine.» An Heimkehr würden sie aktuell noch nicht denken.
Es macht mir Mühe, so Musik zu spielen. Meine Gedanken sind ganz bei meiner Familie in der Ukraine.
«Wir haben noch viele Einladungen von anderen Orchestern in europäischen Grossstädten bekommen. Wir werden jetzt erst mal weitertouren und dann schauen, wie es weitergeht.»
Die Einnahmen der Konzerte spenden die Musikerinnen und Musiker an Hilfsorganisationen, die in der Ukraine tätig sind, und hoffen dabei, mit ihrer Musik etwas zu bewirken. «Krieg zerstört alles, Musik jedoch lässt etwas Neues entstehen», sagt Kateryna Mysechko. «Wir hoffen, mit unserer Musik etwas Hoffnung zu verbreiten.»
Für die «Kyiv Soloists» geht es nun weiter nach Deutschland, wo weitere Konzerte geplant sind.