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Aufruf an die Politik Wirtschaftsverbände warten mit teils brisanten Forderungen auf

Es sind turbulente Zeiten für die globale Wirtschaft und damit auch für die Schweiz. Nun richten die Wirtschaftsverbände einen «Wake-up-Call» an die Politik.

Der Zollstreit, der Handelskrieg und geopolitischen Verwerfungen drücken aufs Wachstum. Die Unsicherheiten für Schweizer Firmen sind gross. Die Wirtschaftsverbände fordern deshalb diverse Massnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu sichern. Einige sind brisant.

Die Schweiz müsse aus ihrem gemütlichen Trott herauskommen und endlich handeln, fordert Christoph Mäder, Präsident des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. «Die Schweiz ist träge geworden, wenn es darum geht, die Entwicklungen politisch nachzuvollziehen, die sich in der Welt abspielen.» Kritik also an Parlament und Bundesrat.

Was die Wirtschaftsverbände fordern

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Die Massnahmen der Wirtschaftsverbände lesen sich wie ein Wunschkonzert: Kein Ausbau der Sozialversicherungen, keine weiteren Regulierungen für Unternehmen, keine Technologieverbote – auch in Bezug auf Atomkraftwerke, ein flexibler Arbeitsmarkt, mehr Freihandel, keine neuen Eigenmittelanforderungen an die Banken – die Liste ist lang.  Die Verbände fordern zudem die Einsetzung einer Expertengruppe. Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und des Bundes sollen ein Paket vorschlagen.

Derweil würde Staaten rund um den Globus wirtschaftlich aufrüsten, sagt Mäder: «Sie haben Programme zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft.» Die Schweiz dürfe hier nicht zurückstehen und müsse aktiv werden. Die aktuelle Lage müsse ein Weckruf sein für die Schweiz, und eben für die Schweizer Politik.

Deshalb fordern die Wirtschaftsverbände, darunter auch der Industrieverband Swissmem und der Arbeitgeberverband, Massnahmen, «um die Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu sichern.»

Standort Schweiz soll nicht an Attraktivität einbüssen

Arbeitgeberpräsident Severin Moser betont, die Schweiz dürfe ihr Attraktivität als Wirtschaftsstandort um keinen Preis verlieren. Die Gefahr bestehe, dass Unternehmen nicht in der Schweiz, sondern im Ausland investieren würden. «Dann entstehen neue Werkstätten und Forschungseinheiten – und mit ihnen Jobs und Innovationen, die uns in der Schweiz fehlen werden.»

Die Stossrichtung ist klar: Die Wirtschaft braucht qualifizierte Arbeitskräfte, also dringlichst eine Lösung mit der Europäischen Union. Zudem sollen die Lohnkosten laut Moser «vernünftig» sein. Im Klartext: Die Löhne dürfen nicht zu schnell wachsen. Bei stetig steigenden Lebenshaltungskosten ist das eine brisante Aussage.

Umstrittenes Sparpaket des Bundes

Viele der Forderungen der Wirtschaftsverbände sind nicht neu, doch das Timing ist gut gewählt. In Krisenzeiten die Wirtschaft stärken – wer kann das nicht wollen? Allen voran stellen sich die Wirtschaftsverbände hinter das Milliarden-Sparpaket des Bundes. Bis 2028 will dieser 3,6 Milliarden Franken sparen. Bloss: Dieses Sparpaket ist umstritten.

Links-Grün lehnt den Bundesvorschlag entschieden ab. Und selbst den Bürgerlichen gehen einzelne Budgetkürzungen zu weit. So etwa der SVP in der Landwirtschaft. Allerdings betont Mäder: «Die Arbeits- und Investitionskosten, die Dienstleistungen, die Immobilien: Das alles ist für die Unternehmen in der Schweiz sehr teuer. Wir können uns nicht auch noch einen unsicheren öffentlichen Haushalt leisten.» Kommt hinzu: Die Schuldenbremse ist für die Wirtschaftsverbände unantastbar.

Unia kritisiert Wirtschaftsverbände

Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia, spricht von einem realitätsfremden Programm: «Überall in Europa, wo die Herausforderungen angepackt werden, geschieht das Gegenteil: Dort werden Investitionen in die Sozialwerke und in die Infrastruktur vorgenommen.» Die Fixierung auf die Schuldenbremse sei nicht sinnvoll, findet Alleva und betont: «Insbesondere, weil die Schweiz eine der strengsten Schuldenbremsen hat.»

Bei den Schulden schneidet die Schweiz im internationalen Vergleich tatsächlich gut ab. Zum Vergleich: Während die Schuldenquote in Deutschland viel höher ist, investiert das Land mehrere 100 Milliarden Euro in die Infrastruktur und den Ausbau der Armee – und hebelt dafür die Schuldenbremse aus.

Alleva spricht von alten Rezepten, mit denen die Wirtschaft immer komme: «Das war schon bei der Wirtschafts-, Corona- und auch der Energiekrise so.» Es brauche keine weitere Deregulierungs-Welle in der Wirtschaft. Stattdessen brauche es Investitionen in die Bildung, es brauche anständige Löhne: Das sei schliesslich der Standortvorteil der Schweiz.

Klar ist: Die Forderungen der Wirtschaftsverbände dürften auf politischen Widerstand stossen. Fragt sich nur: wie stark dieser in Krisenzeiten ist.

Echo der Zeit, 05.05.2025, 18:00 Uhr ; 

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