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Wie der Wandel im Justizvollzug die Rückfallquote gesenkt hat
Aus Echo der Zeit vom 16.06.2023. Bild: Keystone/Michael Buholzer
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Aufseher: Ein Beruf im Wandel Wie sich die Rolle des Gefängnisaufsehers gewandelt hat

Was früher der Mann mit Schlüsselbund war, ist heute die Fachperson Justiz, die Häftlinge begleitet und betreut.

Pascal Ernst arbeitet als Aufseher im grössten Gefängnis der Schweiz, der Justizvollzugsanstalt Pöschwies im Zürcherischen Regensdorf. Er isst mit den Insassen zu Mittag, abends spielt er mit ihnen eine Partie Billard.

Dabei rede er mit den Häftlingen auch über Persönliches: «Viele haben wenig Probleme, mit uns zu sprechen. Das ist auch ein Vertrauensbeweis, den sie uns entgegenbringen», erklärt Ernst.

JVA Pöschwies Regensdorf Eingang
Legende: Dicke Mauern trennen die Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies von der Aussenwelt. Im grössten Gefängnis der Schweiz gibt es 376 Plätze für straffällige Männer. Sie werden von mehr als 300 Personen betreut. Keystone/Ennio Leanza

Vertrauen schaffen, eine Beziehung aufbauen zu den Häftlingen. Das gehört zum Beruf des 35-Jährigen. Diese Nähe zu den Inhaftierten erhöhe die Sicherheit, sagt Pascal Ernst. Wenn er wisse, wie es dem Insassen gehe, könne er besser abschätzen, ob es allenfalls zu einer brenzligen Situation kommen könnte.

Entscheidend sei aber das richtige Mass. «Es ist immer ein Spagat zwischen zu viel und zu wenig Nähe. Es muss der richtige Mittelweg sein.» Schliesslich sei er kein Sozialarbeiter, sondern auch zuständig für Recht und Ordnung hinter den Gefängnismauern.

Pascal Ernst vor einer Zellentür
Legende: Pascal Ernst (35) ist gelernter Elektromonteur. Vor drei Jahren wechselte er ins Gefängnis. Zurzeit ist er noch in der Ausbildung zur sogenannten Fachperson Justizvollzug. ZVG/Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung Kanton Zürich

Er schliesst die Türen auf, durchsucht die Zellen auf Drogen und verbotene Geräte. Es gelten klare Regeln in der Beziehung. «Wir siezen die Insassen. Es gibt keine Berührungen, keine Umarmungen und ein Händeschütteln nur bei besonderen Anlässen», führt Pascal Ernst aus. So könne man die nötige Distanz wahren.

Die kriminelle Vorgeschichten der Insassen kenne er natürlich. Entscheidend sei aber der Mensch, sagt Ernst. «Für ihre Taten wurden diese Personen bestraft, deshalb sind sie ja auch bei uns.» Das Ziel sei es, dass die Inhaftierten ihre Tat nicht wiederholen.

Wir siezen die Insassen. Es gibt keine Berührungen, keine Umarmungen und ein Händeschütteln nur bei besonderen Anlässen.
Autor: Pascal Ernst Fachperson Justizvollzug Kanton Zürich

Das Berufsbild des Gefängnisaufsehers hat sich stark gewandelt. War es früher die vornehmliche Aufgabe des Gefängnispersonals, Häftlinge zu bewachen, begleiten sie heute die Insassen auf deren Weg zurück in die Freiheit. Dieser Wandel im Berufsbild des Gefängnisaufsehers spiegelt auch wider, wohin sich die Strafanstalten in der Schweiz entwickeln.

Von Strafanstalt zum Wiedereingliederungszentrum

Der Justizvollzug in der Schweiz ist konsequent auf die Wiedereingliederung ausgerichtet. 99 Prozent der Häftlinge kommen wieder frei. Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr ist daher überzeugt: Wenn es gelingt, den Häftling auf ein Leben nach dem Gefängnis vorzubereiten, schaffe das am meisten Sicherheit für die Gesellschaft. «Wir trainieren mit den Insassen jenes Verhalten, das wir ausserhalb der Gefängnismauern von ihnen erwarten», so Regierungsrätin Fehr.

Regierungsrätin Jacqueline Fehr
Legende: Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr ist überzeugt, dass die richtige Vorbereitung der Häftlinge auf die Zeit nach der Haft die grösste Sicherheit bringt. Keystone/Ennio Leanza

Von der Strafanstalt zum Wiedereingliederungszentrum – dahin entwickeln sich die Gefängnisse in der Schweiz. In den vergangenen Jahrzehnten habe ein Kulturwandel stattgefunden, sagt Patrick Cotti, Direktor des Schweizerischen Kompetenzzentrums für den Justizvollzug.

Strategie geht auf

Dieser Wandel im Justizvollzug habe auch die Rückfallquote gesenkt, die Gefahr, dass ein Häftling nach der Entlassung in die Freiheit wieder eine Straftat begeht. Cotti verweist auf Zahlen des Bundesamts für Statistik. Gerade bei den Gewaltstraftätern gehe die Rückfallquote stetig zurück. «Das hat auch damit zu tun, dass die Institutionen den Inhaftierten anders begegnen und ein anderes Verständnis der Zusammenarbeit haben.»

Diesen Kulturwandel in der täglichen Arbeit müssen die Gefängnisaufseher wie Pascal Ernst umsetzen. Eine anspruchsvolle, aber spannende Tätigkeit sei es, sagt Ernst. Es brauche dafür ein positives Menschenbild. Den Glauben, dass sich Menschen ändern können.

Echo der Zeit, 07.08.2023, 18:00 Uhr

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