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Aufsicht kritisiert NDB Übervorsichtig bei Linksextremen, übereifrig bei Corona-Kritikern

  • Zwei Untersuchungen der Aufsichtsbehörde werfen kein gutes Licht auf den Nachrichtendienst des Bundes (NDB).
  • Der NDB habe zu Unrecht Daten über Corona-Massnahmen-Gegner gespeichert, und bei der Abwehr von gewaltbereiten Linksextremen gebe es Mängel.
  • Die politische Aufsicht über den NDB ist besorgt.

«Die Häufung von Problemen macht uns Sorgen», sagt Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt. Er ist Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments und reagiert auf zwei Prüfberichte der Aufsichtsbehörde über den NDB (AB-ND).

Der eine Bericht legt Mängel offen im Bereich Linksextremismus. Der andere zeigt, dass der NDB unrechtmässig Daten über die Gegner von Corona-Massnahmen gespeichert hat.

Corona-Daten hätten gelöscht werden müssen

Auf die unrechtmässigen Daten über Gegner von Corona-Massnahmen stiess die AB-ND bei Stichprobenkontrollen: «Es geht um weniger als zehn Personen- oder Gruppennamen im Bereich Corona-Extremismus», sagt AB-ND-Chefin Prisca Fischer: «Der NDB hätte diese Einträge spätestens nach einem Jahr löschen müssen.»

Demonstranten hinter einer Polizei-Absperrung.
Legende: Corona-Massnahmen-Gegner demonstrieren im November 2021 in Zürich: Der NDB hatte Personen und Gruppen aus dieser Szene gespeichert – und unterliess es, die Daten nach einem Jahr zu löschen. Keystone / MICHAEL BUHOLZER

Der NDB hatte ursprünglich den Verdacht, dass die betroffenen Personen zu Gewalt greifen könnten. Doch wenn sich das innert eines Jahres nicht beweisen lässt, muss er die Daten laut Gesetz löschen. Genau dies ist nicht passiert. Inzwischen seien die Daten gelöscht worden, schreibt der NDB.

Pendenzen beim NDB ein «Sicherheitsrisiko»

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Die AB-ND erwähnt in ihrem Bericht auch, dass es beim NDB einen Rückstand beim Erfassen von Berichten aus den Kantonen gegeben habe. Das sei ein Sicherheitsrisiko. Denn durch die Verzögerung könnten für die innere und äussere Sicherheit relevante Informationen nicht zur Verfügung gestellt worden sein.

Die Aufsichtsbehörde spricht von «ersten Verbesserungen», die sie festgestellt habe.

Der NDB schreibt auf Anfrage, er habe mit einer Task Force auf die Erfassungsrückstände reagiert und diese inzwischen vollständig abgearbeitet. Zudem habe er «nachhaltige Massnahmen» umgesetzt, um sicherzustellen, dass es künftig zu keinen Rückständen mehr komme.

Es gehe darum, die Grundrechte zu schützen, schreibt die AB-ND. Deren Chefin Prisca Fischer hat den NDB beauftragt, bis Ende Oktober Datenbank-Einträge zu bestimmten Themen zu durchforsten. Laut dem NDB ist die Prüfung bereits abgeschlossen – wie viele unrechtmässige Einträge er gefunden hat, legt er nicht offen.

NDB «übervorsichtig» bei der Abwehr linksextremer Gewalt

Auch im zweiten Prüfbericht der AB-ND dominieren kritische Töne. Es geht um gewaltbereite Linksextreme. Der NDB verzeichnete letztes Jahr 60 gewaltsame Ereignisse im Zusammenhang mit Linksextremen und stuft die Bedrohung als «erhöht» ein. Doch laut AB-ND ist der NDB nicht in der Lage, seinen Auftrag optimal zu erfüllen.

Linksautonome führen schwarz gekleidet und vermummt einen Demonstrationszug an.
Legende: Vermummt und zum Teil auch gewaltbereit: Linksextreme, hier am 1. Mai 2023 in Zürich. Keystone / Ennio Leanza

Die Zusammenarbeit mit den Kantonen habe sich verschlechtert und der NDB nutze nicht alle Mittel, die ihm zur Verfügung stünden, sagt die Leiterin der Aufsichtsbehörde, Prisca Fischer: «Die Führungskultur führt quasi dazu, dass das Personal übervorsichtig ist», so Fischer. Welche Mittel der NDB häufiger einsetzen könnte, sagt sie aus Geheimhaltungsgründen nicht.

Wie sieht es beim Rechtsextremismus aus?

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Die Arbeit des NDB im Bereich Rechtsextremismus hat die AB-ND vor vier Jahren untersucht – damals mit einem mehrheitlich positiven Fazit. Die Behörden, welche vom NDB Informationen erhielten zu Rechtsextremismus, würden diese als grundsätzlich wirksam empfinden, schrieb die AB-ND damals. Die Rede war damals allerdings von Pendenzen bei der Erfassung von Daten in die entsprechende Datenbank des NDB und von Unstimmigkeiten bezüglich Anonymisierung von Meldungen.

Der Nachrichtendienst will mehr tun

Der NDB selber schreibt, er verzichte in bestimmten Fällen aus Sicherheitsgründen auf einzelne Mittel. Der Nachrichtendienst müsse mehr Personal einsetzen, sagt Aufsichtschefin Fischer: «Wenn er das nicht macht, verliert er langfristig die Fähigkeit, das Risiko der linksextremen Szene einzuschätzen.»

Die Warnung wirkt: Er habe seine Kapazitäten im Bereich Linksextremismus verstärkt, schreibt der NDB, und plane einen weiteren Ausbau. Allerdings werde die Kluft zwischen wachsenden Erwartungen und verfügbaren Ressourcen zunehmend grösser.

«Wir müssen genau hinschauen»

Die Vielzahl von Pannen und Problemen beim NDB wirft Fragen auf. «Wir müssen da genau hinschauen», sagt Nationalrat Müller-Altermatt, Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation.

Eine von mehreren Ursachen für die Probleme ist eine Reorganisation unter dem abtretenden NDB-Direktor Christian Dussey. Sie hat den Dienst teilweise gelähmt und Mitarbeitende frustriert. Dussey hat Anfang Jahr seinen Rücktritt angekündigt, sein Nachfolger Serge Bavaud übernimmt Anfang November.

Die Stellungnahme des NDB im Detail

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Der NDB hat auf Fragen von SRF zur Kritik der Aufsichtsbehörde ausführlich Stellung genommen - hier die Antworten in einer leicht gekürzten Fassung:

Zur Registrierung von Corona-Massnahmen-Gegnern

  • «Der NDB hat die entsprechenden Daten in der Zwischenzeit gelöscht.» 
  • «Die betreffenden Daten wurden rechtskonform im Rahmen des Auftrages des NDB erhoben. Der NDB kann gestützt auf Art. 5 Abs. 6 des Nachrichtendienstgesetzes (NDG) ausnahmsweise Daten bearbeiten, die unter die Datenbearbeitungsschranke fallen, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass Personen oder Organisationen ihre Rechte ausüben, um terroristische, verbotene nachrichtendienstliche oder gewalttätig-extremistische Tätigkeiten vorzubereiten oder durchzuführen. Diese Daten müssen jedoch spätestens nach einem Jahr gelöscht werden, sofern sich die entsprechenden Tätigkeiten bis dahin nicht nachweisen lassen. Bei der von der AB-ND beanstandeten Datenbearbeitung handelte es sich um solche Fälle.»

Zum Auftrag der AB-ND, bis Ende Oktober alle Datensätze im Bereich monothematischer Extremismus nach unrechtmässigen Einträgen zu durchforsten:

«Der NDB hat die Überprüfung bereits abgeschlossen und die Ergebnisse der AB-ND übermittelt.»

Rückstand bei der Erfassung von Informationen in den NDB-Datenbanken:

«Der NDB hat mit einer Task Force auf die festgestellten Erfassungsrückstände reagiert und diese inzwischen vollständig abgearbeitet. Zudem wurden nachhaltige Massnahmen ergriffen und umgesetzt, um sicherzustellen, dass es künftig zu keinen Rückständen mehr kommt.»

Zu Mängeln im Bereich Linksextremismus:

  • «Der NDB setzt die ihm gesetzlich zur Verfügung stehenden Mittel und Instrumente mit grosser Sorgfalt und unter Berücksichtigung der jeweiligen Lage ein. In bestimmten Fällen verzichtet der NDB bewusst auf den Einsatz einzelner Mittel bzw. Instrumente – etwa aus Sicherheitsüberlegungen zum Schutz seiner Mitarbeitenden sowie jener der kantonalen Partnerdienste.»
  • «Der NDB hat seine Kapazitäten im Bereich Linksextremismus bereits verstärkt und plant, diesen gemäss den zur Verfügung stehenden Mitteln weiter auszubauen. Zentral für die zukünftige Aufgabenerfüllung ist zudem die geplante Revision des Nachrichtendienstgesetzes. Diese sieht vor, dass genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahmen künftig auch im Bereich des gewalttätigen Extremismus anwendbar wären. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, weil es nicht nur um die Verhinderung konkreter terroristischer Aktivitäten geht, sondern auch um eine verbesserte Aufklärung gewalttätiger extremistischer Fälle.»
  • «Der NDB weist seit Jahren darauf hin, dass die Kluft zwischen den stetig wachsenden Erwartungen an seine Leistungen und den verfügbaren operativen Ressourcen zunehmend grösser wird – und zwar nicht nur in einzelnen Bereichen, sondern dienstübergreifend. Die steigenden Erwartungen resultieren vor allem aus der sich verschärfenden geopolitischen Lage und den damit verbundenen Herausforderungen für sämtliche Sicherheitsbehörden.»

Heute Morgen, 22.09.2025, 6:00 Uhr

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