Paul Hollenstein sieht aus wie ein Taucher. Er taucht auch, aber nicht aus Vergnügen, sondern weil das sein Job ist. Und er taucht auch nicht in einen See oder gar ins Meer, sondern in ein Güllenloch, auf einem Hof bei Urnäsch, im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Paul Hollenstein kontrolliert, ob der Güllenkasten leckt, ob Gülle irgendwo in den Boden oder in ein Gewässer gelangt.
Wo Bauern und Landwirtinnen Tiere halten, fällt Mist an. In Form von Jauche oder Gülle dient dieser später als Dünger, der auf Wiesen ausgebracht wird. Sowohl zur Lagerung als auch zum Ausbringen der Jauche gibt es Vorschriften. Die Lagerkapazität etwa muss stimmen, der Bauer oder die Landwirtin müssen genügend Platz haben für die Jauche der eigenen Tiere. Denn: Unsachgemäss gelagert oder ausgebracht, können Jauche oder Gülle Gewässer und Grundwasser verschmutzen.
Besonders wichtig ist deshalb der Zustand der Güllenkasten auf den Höfen. In Appenzell Ausserrhoden wollte man es genau wissen: Wie sehen die Güllen-Löcher der rund 650 Betriebe im Kanton aus?
Gefährlicher Job
Seit 2013 werden sie kontrolliert, bald ist die Untersuchung abgeschlossen. Ein erstes Fazit fällt positiv aus: «Diejenigen Güllenkästen, die Sanierungsbedarf haben, bewegen sich im einstelligen Prozentbereich», sagt Kontrolleur Manuel Mettler vom kantonalen Amt für Umwelt. Die Mängel seien ausserdem nicht so gravierend, dass Gewässer oder das Grundwasser gefährdet seien.
Der Job des «Güllenkasten-Tauchers» ist nicht ohne. Paul Hollenstein ist an eine Seilwinde gegurtet und trägt eine Sauerstoffmaske. Ohne diese Hilfsmittel würde er nie in eine Güllengrube hinabsteigen – «viel zu gefährlich». Die Gülle gärt und entwickelt gefährliche Gase, etwa Schwefelwasserstoffgas, ein Nervengift. Ohne Sauerstoff kann man schnell ohnmächtig werden und – im schlimmsten Fall – sterben. Jedes Jahr gibt es solche Todesfälle, meist sind es Unfälle.
Das Thema Gülle ist politisch kontrovers: Umweltschützer beklagen, es werde zu viel gegüllt. Das schade nicht nur der Artenvielfalt, sondern belaste das Trinkwasser mit Nitrat. Gemäss dem neuesten, am Dienstag publizierten Bericht des Bundesamts für Umwelt zum Zustand der Gewässer in der Schweiz, ist die Wasserqualität tatsächlich vielerorts ungenügend, vor allem im Mittelland, wo es viel Landwirtschaft gibt.
Ein falscher Schacht kann ein Fischsterben verursachen
Auf dem Hof bei Urnäsch hat Kontrolleur Paul Hollenstein etwas entdeckt: Einen Einlauf ins Güllenloch, der Bauer muss ihn abdichten. Dies sei aber nur eine Bagatelle. Trotzdem wird sie fotografiert und fein säuberlich rapportiert. Das Amt für Umwelt setzt dem Bauer eine Frist fürs Abdichten, Bussen werden und wurden keine verteilt.
Zum Schluss kontrollieren die Männer die Schächte rund um den Hof und gleichen sie mit dem Entwässerungsplan ab. Bei der Entwässerung liege das grösste Verbesserungspotential, sagt Manuel Mettler vom kantonalen Amt für Umwelt. Die Entwässerungssysteme seien zum Teil alt und wenig bewusst gebaut worden: Gibt es im Hofinnenbereich einen Schacht, der in einen Bach entwässert, und platzt etwa beim Umpumpen von Gülle ein Schlauch, dann fliesst die Gülle über den Schacht direkt in den Bach. «Das führt zu verschmutzen Gewässern und vielleicht gar zu einem Fischsterben», sagt Mettler. Das zu verhindern, ist das Ziel der Güllenloch-Kontrolleure.