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Aus beim Rahmenabkommen «Ein Stück weit haben wir sieben Jahre vergeudet»

Wie geht es nun weiter in der Beziehung mit der EU? Bei Andreas Schwab, dem Vorsitzenden der Delegation des EU-Parlaments, die sich um die Beziehung zur Schweiz kümmert, ist die Entscheidung des Bundesrats nicht so gut angekommen.

Andreas Schwab

CDU-Abgeordneter im EU-Parlament

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Schwab ist seit 2004 im EU-Parlament für die deutsche CDU. Er ist Vorsitzender der Delegation des EU-Parlaments, die sich um die Beziehungen zur Schweiz kümmert.

SRF News: Ist es für die Schweiz möglich, eng mit der EU verbunden zu bleiben, trotz des Knacks, der nun in der Beziehung entstanden ist?

Andreas Schwab: Der Vorschlag, ein solches Rahmenabkommen auszuhandeln, kam 2008 von Schweizer Seite. Noch im letzten Jahr hat der Bundesrat einen Brief an die EU-Kommission geschrieben, in dem steht, dass es noch um vier Klärungen in Einzelfragen gehe. Gestern hat der Bundesrat nun relativ brüsk die Tür zugeschlagen. Wenn Sie jetzt also von freundschaftlichen Beziehungen sprechen, müssten wir die Frage erklären, wie dann ein solch brüsker Abbruch von über sieben Jahren dauernden Verhandlungen diplomatisch zu erklären ist.

Bei der EU ist diese Entscheidung als brüsk angekommen. Sie hat zwar keine Strafen angekündigt, aber Konsequenzen. Womit müssen wir rechnen?

Die Schweiz ist ein souveräner Staat und kann entscheiden, was sie mag. Es stand immer ausser Frage, dass die Europäische Union der Schweiz reinredet oder, wie manche behaupten, auf der Nase herumtanzt. Deswegen nehmen wir diese Entscheidung ganz sachlich hin. Aber klar ist, dass mit dieser Entscheidung die Aussage verbunden ist, dass die Schweiz zu einem Drittstaat werden will, wie beispielsweise Grossbritannien.

Von Frieden und Wohlstand hat ja auch die Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten stark profitiert.

Die Schweiz sagt: «Die speziellen Abkommen, die wir haben, können nicht weiterentwickelt werden. Weil wir als Schweiz nicht bereit sind, weitere Schritte zu diesem Rechtsrahmen zu machen, den sich 27 EU-Länder gegeben haben – und den sie gewissermassen als Eintrittskarte für diese privilegierte Zusammenarbeit, die Frieden geschaffen hat, und Wohlstand ansehen.»

Die Schweiz ist für die EU ein wichtiger Handelspartner. Schadet sich die EU denn nicht selber damit?

Ganz offen gesagt gibt es natürlich für die Art der Produkte, die in der Schweiz hergestellt werden, auch viele europäische Unternehmen. Auch beim Brexit haben wir immer gesagt, dass es keine Win-Win-, sondern eine Lose-Lose-Situation ist. Die Probleme, die 2014 zu den Verhandlungen mit der Schweiz geführt haben, sind ja noch auf dem Tisch.

Die Schweiz ist souverän, aber auch die Schweiz kann den Fünfer und das Weggli nicht gleichzeitig bekommen.

Ist die EU bereit, die Nachteile, die für sie entstehen, aus Prinzip in Kauf zu nehmen?

Als Europäische Union können wir die Grundprinzipien unserer Zusammenarbeit, auf die sich 27 souveräne Staaten geeinigt haben, nicht wegen der Schweiz ausser Kraft setzen. Anders formuliert: Die Schweiz ist souverän, aber auch die Schweiz kann den Fünfer und das Weggli nicht gleichzeitig bekommen.

Ich hatte gedacht, wir hätten einen sehr intensiven Dialog gehabt. Deswegen frage ich mich, was der neue Dialog sein soll.

Die Zusammenarbeit Europas funktioniert nur, weil sich alle Länder den gleichen Prinzipien unterwerfen. Freiwillig, aber mit dem Ziel, in der globalen Welt Souveränität gemeinsam auszuüben. Denn in der globalen Welt gibt es keine Souveränität mehr, die Länder wie die Schweiz oder auch Deutschland alleine noch ausüben könnten.

Ist der neue Dialog, von dem die Schweiz spricht, aus Sicht der EU der Fünfer und das Weggli?

Ich weiss nicht, was aus Schweizer Sicht in den vergangenen sieben Jahren passiert ist. Ich hatte gedacht, wir hätten einen sehr intensiven Dialog gehabt. Deswegen frage ich mich, was der neue Dialog sein soll. Aber vielleicht gibt's ja Überraschungen, die wir bisher nicht gewärtigen. Ich glaube, dass wir mit der Erklärung der Schweiz jetzt ein Stück weit vor allem sieben Jahre vergeudet haben. Das bedeutet nicht, dass man im Einzelfall nicht auch bestimmte Sachargumente unterschiedlich gewichten kann.

Das Traurige ist: Die Schweiz kann entscheiden, wie sie will, aber unter Partnern kann man das freundschaftlich organisieren. Deswegen glaube ich, gibt's da jetzt einiges Porzellan zu kitten.

Was braucht es aus Sicht der EU, damit die Beziehung zur Schweiz wieder auf einem einigermassen stabilen Fundament stehen kann?

Nach dieser Entscheidung muss zunächst mal in der Schweiz entschieden werden, wie der Weg mit den Nachbarn weitergeführt werden soll. Ich habe keinen Zweifel, dass es da in der Schweiz nun eine lebhafte Debatte geben wird. Es gibt ja viele Einrichtungen in der Schweiz, die an diesem Prozess jetzt sicher teilnehmen werden.

Wir sind immer nebendran und gesprächsbereit, weil wir wissen, dass wir nur vorankommen, wenn wir uns – zum Beispiel nach Corona – noch besser abstimmen und noch enger zusammenarbeiten. Die EU wird offenbleiben, weil wir die Schweiz schätzen und weil wir wissen, dass wir in der Mitte Europas auf extrem gute Beziehungen angewiesen sind.

Das Gespräch führte Isabelle Maissen.

SRF 4 News, 27. 05.2021, 07:20 Uhr ; 

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