Das Pandemiejahr 2020 hat bei vielen lokalen Kleinbrauereien nicht nur ein Loch in die Kasse gerissen – sie sitzen nun auch auf Hektolitern von unverkäuflichem Bier, das langsam, aber sicher abläuft.
Die einfachste Lösung dafür wäre Wegschütten. Doch Martin Uster, Geschäftsleiter der Brauerei Baar, fand eine andere Lösung: Schnaps. Aus dem überschüssigen Bier brennt er Bierbrand. Einen 36-prozentigen Digestiv, angereichert mit Melisse und Zitrone.
Zwölf Liter Bier für einen Liter Schnaps
Das genaue Rezept hält Uster geheim, klar ist aber: Um einen Liter Bierbrand zu gewinnen, sind rund zwölf Liter Bier notwendig. «Es ist schon mal beruhigend, dass wir unverkäufliches Bier nicht einfach wegschütten müssen, sondern es zu einem neuen Produkt verarbeiten können», sagt er. Zumal dieses neue Produkt bei der Kundschaft im brauereieigenen Laden auf reges Interesse stosse.
Da ist es auch verkraftbar, dass Bier – das ja bereits ein veredeltes Produkt ist – ein vergleichsweise teurer Ausgangsstoff für einen Brand ist, verglichen etwa mit Getreidemaische, die zu Whisky destilliert wird.
Brauerei konnte auf frühere Versuche aufbauen
Allerdings: Die Ergänzung des Biersortiments um einen eigenen Schnaps ging in Baar nicht über Nacht vonstatten. Martin Usters Brauerei profitiert davon, dass sie bereits vor rund sechs Jahren erste Versuche mit Bierbrand gestartet hatten; auch damals gab überschüssiges Bier den Ausschlag, für das der Betrieb Verwendung suchte.
«Auf die Schnelle einen Bierbrand hinzubekommen, wäre schwierig gewesen», sagt Uster. «Uns hilft, dass wir bereits Erfahrungen bei der Rezeptur und der Herstellung gemacht haben und darauf nun zurückgreifen können.»
Unser Glück ist, dass wir schon früher an einem Schnaps getüftelt haben.
Es gibt zwar auch andere Kleinbrauereien, die Bier zu Schnaps weiterverarbeiten, etwa die Rathaus-Brauerei in Luzern – doch eine Patentlösung für unverkäufliches Bier ist das nicht.
Das weiss Brauer Uster auch als Präsident der IG Unabhängige Schweizer Brauereien, in der rund 30 kleine und mittelgrosse Braubetriebe vertreten sind. Die Schnapsproduktion verursache zusätzliche Kosten und sei logistisch aufwändig, weil sie häufig in einer externen Destillerie stattfinden müsse, sagt er. Damit falle sie für kleinere Betriebe häufig bereits weg.
Desinfektionsmittel lohnt sich nicht mehr
Auch Desinfektionsmittel sind für Brauereien keine Option mehr. «Vor einem Jahr gab es Brauereien, die darauf setzten. Damals lohnte sich das noch, da Desinfektionsmittel knapp war», sagt Martin Uster. «Mittlerweile gibt es davon jedoch genug – und der Produktionsaufwand ist nicht mehr gedeckt».
Den meisten kleineren Brauereien fehlen also die Möglichkeiten, um das überschüssige Bier anderweitig verwerten zu können. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als das Bier wegzuschütten – und darauf zu hoffen, dass die Restaurants und Bars bald wieder öffnen können und im Sommer auch kleinere Dorf- und Stadtfeste wieder stattfinden.