Es sieht aus wie ein Selecta-Automat. Doch dieses Gerät enthält keine Schokoriegel oder Getränkedosen, sondern darin wachsen Rosmarin und Salat. Entwickelt hat dieses Pflanzensystem ohne Erde und natürliches Licht ein zehnköpfiges Team in Wädenswil.
Die Studierenden der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften haben den Gemüseautomaten entwickelt, gemeinsam mit der Forschungsgruppe Ökotechnologie. Im Rahmen eines Forschungsprojekts des Swiss Space Centers. Auch die Europäische Raumfahrtbehörde ESA unterstützte das Projekt.
Das Ziel war es, dass Astronautinnen und Astronauten künftig im Weltall ihre eigenen, frischen Lebensmittel ernten können. Teamleiter Philipp Osterwalder: «Die Astronauten essen heute meist Trockenlebensmittel. Sie kriegen zwar die benötigten Kalorien, aber das Essen als Erlebnis fällt komplett weg. Ganz zu schweigen von frischen, leckeren Lebensmitteln.»
Pflanzen zu ernten im Weltall ist gut für die Psyche der Astronauten.
Ausserdem sei es auch psychologisch wichtig, wenn die Menschen im All dem Automaten echtes Gemüse und frische Kräuter entnehmen können, so der Umweltingenieur-Student. «Wenn die Astronauten für sechs Monate im Weltraum sind, kommen sie ohne aus. Aber für eine längere Mission tut es gut, wenn sie echte Pflanzen ernten können.» Alleine der Anblick einer natürlichen Pflanze habe einen positiven Effekt auf die menschliche Psyche, so Osterwalder. Und dazu hat das Studententeam einen Beitrag geleistet.
Mit der Technik der Hydroponik lassen sich Kräuter und Gemüse, aber auch Tee oder Kaffee ohne Erde und Sonnenlicht kultivieren. Diese Kultivierung verpackten Osterwalder und sein Team in einen chicen Automaten.
Der Automat ist ein geschlossenes System, in dem Wasser zirkuliert. Die Lampen dafür hat ein Teammitglied selber entwickelt. «Damit können wir die Sonneneinstrahlung verschiedener Vegetationszonen simulieren. Von den Lichtverhältnissen eines kühlen Herbsttags im Engadin bis zu einem heissen Sommertag im Outback.»
Dass er als Bachelor-Stundent in der Weltraumforschung landet, hätte sich Philipp Osterwalder vor Kurzem nicht träumen lassen. «Wie viele habe ich als Kind nachts in die Sterne geblickt und war fasziniert. Aber bei Weltraumtechnologie dachte ich immer, das ist ausschliesslich für Professoren.»
Es wächst schneller – und schmeckt besser
Weil ihre Pflanzen im Automat ständig exakt das Licht erhalten, das sie benötigen, und weil sie keiner Witterung ausgesetzt sind, werfen sie viel rascher Ertrag ab als bei der herkömmlichen Kultivierung.
Ausserdem schmecken Kräuter aus hydroponischer Anzucht intensiver. Spezielle Lichtwellen «stressen» die Pflanzen gezielt, sodass sie mehr ätherische Öle produziert, was den Geschmack verstärkt. Der gebürtige Thurgauer Osterwalder: «Unser Basilikum oder auch die Pfefferminze aus unserem Automaten schmeckt und riecht dadurch viel intensiver.»
Mondbasis auf dem Pilatus wurde abgesagt
Mehr Geschmack in weniger Zeit – das wären schöne Aussichten für die Astronauten. Doch sie müssen sich wohl noch eine Weile gedulden. Damit der Automat aus Wädenswil wirklich für die Raumfahrt genutzt werden kann, müsste noch viel Forschung darin investiert werden als in den Prototyp, den das Team um Osterwalder gebaut hat.
Ausserdem hat auch dieses Projekt einen Rückschlag erlitten durch die Corona-Pandemie. Geplant war, dass im Juli auf dem Pilatus eine Mondbasis simuliert wird. Dort wäre der Automat zum ersten Mal zum Einsatz gekommen. Doch der Virus hat auch diesen Anlass verunmöglicht.
Philipp Osterwalder erinnert sich an diese schwierige Situation: «Wir durften nicht mehr in der Gruppe arbeiten und hatten auch unseren Arbeitsplatz verloren. Das Projekt war fast tot.»
In Zürcher Bunker statt auf dem Mond Salate ziehen
Doch die Forscherinnen und Forscher haben nicht aufgegeben. Sie haben in einer Crowdfunding-Kampagne 15'000 Franken gesammelt. Damit überlebte die Hoffnung, dass der Gemüseautomat eines Tages doch noch zum Einsatz kommt.
Gleichzeitig habe die Coronakrise auch den Fokus verschoben, so Osterwalder: «Plötzlich war die Frage der Nahrungsmittelsicherheit viel aktueller.» Er und seine Mitstreiter begannen stärker zu schauen, wie man das Gerät auf der Erde einsetzen könnte, statt Gemüse auf den Mond zu fliegen.
Der Teamleiter will den Prototypen weiterentwickeln – und dereinst auf den Markt bringen: «Wir könnten uns vorstellen, unseren Automaten an industrielle Grossküchen zu verkaufen, beispielsweise Kantinen. Gerade in Grossstädten gibt es viele unterirdische Anlagen wie Luftschutzbunker, in denen man mit unserer Technologie Pflanzen anbauen könnte.»
Osterwalder und ein Teil des Teams starten deshalb eine neue Aktion, um Geld zu sammeln, damit sie am Automaten weiterarbeiten können. Und sie hoffen, in ein paar Jahren eine marktfähige Version präsentieren zu können. Was als Idee für den Weltraum begann, könnte also in einer unterirdischen Grossplantage in Zürich enden.