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Ausbau der Nationalstrassen Die Ostschweiz ist sauer auf den Bundesrat

Von Appenzell bis in den Thurgau ist der Unmut gross: Der Bundesrat schiebt Strassenbauprojekte auf die lange Bank.

Beugt sich der Bundesrat über das Bauprogramm für Nationalstrassen, gibt es unter den Kantonen Gewinner und Verlierer. Vergangene Woche war es wieder einmal soweit: Der Bundesrat verkündete, welche Projekte er in das «Strategische Entwicklungsprogramm Nationalstrassen» für die nächsten zwanzig Jahre aufnehmen will.

16 Projekte aus den Kantonen hat er geprüft, drei davon sind nun fix eingeplant. Die beiden Projekte aus der Ostschweiz – der Autobahnzubringer Appenzellerland und die Bodensee-Thurtal-Strasse (BTS) – gehören nicht dazu. Der Bundesrat will sie «grundsätzlich überprüfen».

In der Ostschweiz ist man enttäuscht und verärgert. Das Appenzellerland träumt schon seit Jahrzehnten von einem Anschluss an die Autobahn, schliesslich ist es die einzige Region in der Schweiz ohne einen Meter Autobahn. Nun dürfte es jedoch länger dauern – falls er überhaupt je ein Anschluss gebaut wird. Dabei sieht man etwa im Appenzell Ausserrhoder Kantonshauptort Herisau gute Gründe für den Anschluss: Verkehrsentlastung und Stärkung des Wirtschaftsstandorts, wie Gemeindepräsident Max Eugster sagt: «Unsere Wirtschaft muss einen Zugang zum Nationalstrassennetz haben, das ist für Herisau und das ganze Appenzellerland sehr wichtig.»

Lastwagen und Pendler verstopfen das Zentrum

Schützenhilfe erhält Appenzell Ausserrhoden vom Kanton St. Gallen, genauer von der Herisauer Nachbargemeinde Gossau. Auch dort ist der Unmut über den Entscheid des Bundesrats gross.

Seit Jahren staut sich am «Ochsenkreisel» mitten im Städtchen der Verkehr. Zum einen, weil Autofahrer von Zürich her die Autobahn in Gossau verlassen und durch das Dorf Richtung Appenzellerland weiterfahren. Zum anderen, weil im Osten von Gossau ein grosses Industriequartier liegt. Die Grossverteiler haben dort ihre Verteilzentralen, Tausende Lastwagen müssen täglich auf die Autobahn oder von der Autobahn weg. «Die Lastwagenchauffeure fahren mit Navigationssystem, das immer den kürzesten Weg anzeigt. Und der führt direkt durch Gossau», sagt Stadtpräsident Wolfang Giella.

Druck machen in Bundesbern

Sauer auf den Bundesrat ist man aber auch im Kanton Thurgau. Dort soll die Bodensee-Thurtal-Strasse (BTS) die Stadt Arbon am Bodensee mit Bonau bei Frauenfeld verbinden und so den Verkehr im Ober- und Mittelthurgau entlasten. Die Thurgauer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben das Projekt 2012 an der Urne gutgeheissen, allerdings war es schon damals umstritten. Nun hat auch der Bundesrat «Zweifel an der Kompatibilität des Vorhabens mit den verkehrs- und umweltpolitischen Absichten des Bundes.»

Die FDP Thurgau will das nicht hinnehmen. Sie hat am Dienstag gemeinsam mit anderen Bürgerlichen, auch aus National- und Ständerat, und mit Vertretern der Gemeinden die Petition «BTS jetzt umsetzen» lanciert. Für die Gemeinden entlang der geplanten BTS ist der Frust gross. Sie haben fest mit der neuen Schnellstrasse gerechnet. So auch das Städtchen Amriswil, das die letzten acht Jahre seine Ortsplanung revidiert hat. Stadtpräsident Gabriel Macedo: «Wir haben unsere ganze Ortsplanung auf die BTS ausgerichtet.» Mit der Petition wollen die Initianten jetzt Druck machen in Bundesbern.

Doch es gibt auch andere Stimmen im Thurgau. Sie kommen von der SP, der GLP und den Grünen. Kurt Egger, Präsident der Grünen Thurgau und Nationalrat. Auch er will etwas gegen die Verkehrsüberlastung tun – aber er will keine BTS. Der Bund habe das Projekt mit denselben Argumenten gebodigt, mit denen die Grünen es bereits bei der Volksabstimmung im Kanton versuchten. Damals hatten sie keinen Erfolg – heute schon.

Regionaljournal Ostschweiz, 31.1.22, 17:30 Uhr ; 

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