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Ausbau des Autobahnnetzes Streit um sechs Spuren

Der Bundesrat plant einen Grossausbau des Autobahnnetzes. Doch die Pläne stossen auf Kritik.

Stau und stockendender Verkehr: Auf den Schweizer Strassen wird es immer enger. Der Bund prognostiziert, dass bis im Jahr 2040 ein Fünftel des Autobahnnetzes regelmässig überlastet sein wird. Der Bundesrat will mit einem grossen Kapazitätsausbau reagieren – das geht aus seiner Botschaft zum Nationalstrassennetz hervor.

So sollen die Autobahnen innerhalb und zwischen den grossstädtischen Gebieten «konsequent auf mindestens zwei mal drei Spuren» und die Autobahnen um Agglomerationen «zu einem Ringsystem» ausgebaut werden.

Kontroverse Reaktionen

Für FDP-Nationalrat und TCS-Vizepräsident Thierry Burkart sind das sinnvolle Massnahmen. Denn: «Wenn wir auf der Autobahn Überlastungen haben, weicht dieser Verkehr in die Dörfer und die Städte aus», sagt er. Um diesen Effekt zu vermeiden, brauche es einen Kapazitätsausbau der Autobahnen. «Es ist richtig, dass man hier jetzt endlich etwas macht.»

Das sieht Regula Rytz, Präsidentin der Grünen, ganz anders: «Je mehr die Kapazität ausgebaut wird, desto mehr Verkehr gibt es.« Zudem laufe ein Ausbau der Autobahn den Zielen in der Umweltpolitik zuwider. «Wir müssen in den Umbau des Verkehrs investieren», sagt Rytz.

Pläne zu wenig innovativ

Auch Verkehrsingenieur Alexander Erath, Professor für Verkehr und Mobilität an der Fachhochschule Nordwestschweiz, beurteilt die Ideen des Bundesrates kritisch. «Kurzfristig ist es eine Entlastung. Dort wo es jetzt stockt, wird es mehr Spuren haben, mehr Kapazität. Das heisst aber auch, dass gewisse Leute dann entscheiden, wieder mit dem Auto statt mit dem öffentlichen Verkehr zu fahren.» Unter dem Strich führe ein Ausbau damit zu mehr Verkehr.

Verkehrsplaner wie Erath sehen in alternativen Lenkungsmöglichkeiten viel mehr Potential als im reinen Infrastrukturausbau. Mit Mobility Pricing etwa müssten die Lenker in Stosszeiten mehr bezahlen für ihre Fahrten – was zu einer besseren Verteilung des Verkehrs beitragen würde. Öffentlich zugängliche Arbeitsräume, sogenannte Co-Working-Spaces, könnten ebenfalls helfen, den Pendlerverkehr zu entzerren.

Erath betont, es müssten nicht alle Autofahrer früher oder später fahren, um einen Effekt zu erzielen: «Es reicht schon, wenn 10 oder 15 Prozent von den heutigen Automobilisten dies tun, um die Staustunden massiv zu reduzieren.» Künftig würden auch autonome, also etwa selbstfahrende Autos helfen, Strassen und Fahrzeuge besser auszulasten.

Der Verkehrsingenieur ist nicht kategorisch gegen einen Ausbau, wie der Bundesrat ihn vorsieht. Aber die Pläne sind ihm, wie vielen seiner Kollegen, zu einseitig, zu wenig innovativ. «Man muss das ganze System weiterdenken und nicht nur dort, wo das Problem akut sichtbar ist.»

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