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Ausbau von Fernwärmenetzen Das Henne-Ei-Problem bei der Fernwärme

Viele Städte bauen derzeit ihr Fernwärmenetz aus. Rechnen sich diese hohen Investitionen? Ein Augenschein in Bern.

Rund 50 Kilometer lang ist das Fernwärmenetz in der Stadt Bern derzeit. In den nächsten Jahren will der städtische Energieversorger Energie Wasser Bern (EWB) das Netz verdoppeln. Und das ist, insbesondere im Westen der Stadt Bern, momentan sicht- und hörbar: Es gibt kaum ein Quartier ohne lärmige Baustelle. In rund drei Meter tiefen Gräben werden dicke Rohre für die Fernwärmeleitungen verlegt.

Wie funktioniert das Fernwärmenetz in der Stadt Bern?

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Betongebäude mit Aufschrift ewb
Legende: Marcel Bieri/Keystone

Herzstück des Fernwärmenetzes in der Stadt Bern ist die Energiezentrale Forsthaus. Durch Verbrennen von Kehricht, Holz und Gas wird dort Wasser auf rund 80 Grad erhitzt. Durch Rohre fliesst es zu den angeschlossenen Liegenschaften, dort wird das Heisswasser in das Heizsystem eingespiesen. Das abgekühlte Wasser fliesst wieder zurück in die Energiezentrale.

EWB investiert eine halbe Milliarde Franken in den Ausbau des Fernwärmemnetzes im Westen der Stadt. Nochmals so viel Geld will der Energieversorger in ein weiteres Fernwärmenetz im Osten der Stadt investieren.

Auch für ein öffentlich-rechtliches Unternehmen sind das grosse Summen. «Wir sind natürlich darauf angewiesen, dass sich genug Liegenschaften an das Fernwärmenetz anschliessen», sagt Michael Jaun, Leiter Netze bei EWB. Eine Anschlusspflicht gibt es nicht. Damit sich die Investitionen rechnen, müssten rund 80 Prozent der gesamten Fernwärme-Energie abgenommen werden.

Die Sicht des Liegenschaftsbesitzers

Lukas Bürki wohnt in Bümpliz Süd und damit genau im Bereich des geplanten Fernwärmenetzes der Stadt Bern. In seinem Haus möchte er die Gasheizung durch Fernwärme ersetzen. «EWB investiert indirekt eine halbe Milliarde Franken unserer Steuergelder, deshalb ist es auch gut, wenn es genutzt wird», so Bürki. Zudem sei Fernwärme ökologischer.

Blick auf gespriessten Graben, Baustelle
Legende: Wegen dem Ausbau der Fernwärme gibt es in der Stadt Bern derzeit zahlreiche Baustellen. Leonie Marti/SRF

Er kennt aber auch noch eine andere Sichtweise: Ihm gehört eine Eigentumswohnung in der Strasse gegenüber, in einem Haus mit insgesamt acht Wohnungen und einer Ölheizung. «Als Stockwerk-Eigentümergemeinschaft sind wir eher kritisch gegenüber der Fernwärme», sagt Bürki. Ökologische Fragen stünden nicht im Vordergrund, viel wichtiger sei die Frage nach der Wirtschaftlichkeit.

Wie nachhaltig ist Fernwärme tatsächlich?

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Ob Fernwärme nachhaltig ist, hängt davon ab, auf welche Art die Wärme erzeugt wird. In der Stadt Bern geschieht dies mit dem Verbrennen von Kehricht, Holz und Gas. «Kehrichtverbrennungsanlagen gelten sicher als nachhaltige Quelle», so Jürg Rohrer von der ZHAW. Allerdings sei es eigentlich wünschenswert, dass wir weniger Müll produzieren.

Dieses Beispiel zeigt das Dilemma bei der Fernwärme: Wer ein Fernwärmenetz plant, sollte den interessierten Gebäudebesitzerinnen und -besitzern zusichern können, dass die Fernwärme kommt.

Das ist aber nur möglich, wenn sich genug Personen für einen Anschluss entscheiden. «Das ist ein typisches Henne-Ei-Problem», sagt ZHAW-Energieexperte Jürg Rohrer. Weil das Risiko gerade zu Beginn relativ hoch sei, seien gerade städtische Energieversorger dazu prädestiniert, diese Investitionen zu tätigen, so Rohrer.

Karte der Stadt Bern mit eingezeichneten Flächen
Legende: In diesen Stadtberner Quartieren wird das Fernwärmenetz ausgebaut. ZVG/EWB

Im Fall des Fernwärmenetzes im Westen der Stadt Bern ist Michael Jaun von Energie Wasser Bern optimistisch, dass genügend Anschlüsse realisiert werden können. «Es gibt viele Kundinnen und Kunden, die auf erneuerbare Wärmequellen setzen möchten», so Jaun. Rund ein Drittel der benötigten Anschlüsse sei bis jetzt zugesichert.

Fernwärme: Basel hat die Nase vorn

Über den ganzen Kanton Bern gesehen beträgt der Anteil an Fernwärme-Anschlüssen im Vergleich mit anderen Energiequellen für Heizungen 3.2 Prozent. Damit liegt der Anteil unter dem Schweizer Durchschnitt von 3.8 Prozent. Im Kanton Zürich beträgt der Anteil an Fernwärme 4.8 Prozent. Mit Abstand am grössten ist der Anteil im Kanton Basel-Stadt mit 40.8 Prozent.

Energieexperte Jürg Rohrer geht davon aus, dass es in der Schweiz künftig zwei- bis dreimal so viele Fernwärmenetze geben wird wie heute. Es stehen also in vielen Städten und Gemeinden grosse Investitionen bevor – und auch zahlreiche lärmige Baustellen.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 19.3.2024, 17:30 Uhr;mata;kobt

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