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Ausgewildert 1991 im Engadin Die Wiederansiedlung des Bartgeiers: Eine Erfolgsgeschichte

Am Samstag auf den Tag genau vor 30 Jahren wurden die ersten Bartgeier im Schweizerischen Nationalpark ausgewildert.

Settschient, Moische und Margunet hiessen die ersten Bartgeier, die am 5. Juni 1991 in der Val da Stabelchod im Schweizerischen Nationalpark freigelassen wurden. Sie waren in Aufzuchtstationen in Wien und Berlin geschlüpft und als Junggeier bereit für die Auswilderung. Die erfolgreiche Wiederansiedlung des ausgerotteten Greifvogels in den Schweizer Alpen hatte begonnen.

Zu Beginn der Wiederansiedlung war ungewiss, ob das Vorhaben tatsächlich gelingen würde. Doch dank eines aufwändigen internationalen Zucht- und Wiederansiedlungsprojekts fand der grosse Aasfresser den Weg zurück in seine ursprüngliche Heimat.

Lämmertöter und Kindsräuber

Vor über 100 Jahren ist der majestätische Vogel ausgerottet worden. Er hatte den Ruf eine Gefahr für Lämmer und Kinder zu sein. Man habe ihn beschuldigt, dass er ganze Schafherden die Klippen hinunterstürzen lasse und Kinder in seinen Horst entführe, sagt die Biologin Franziska Lörcher, stellvertretende Geschäftsleiterin der Stiftung Pro Bartgeier.

Der Bartgeier ist sozusagen der letzte Restenverwerter.
Autor: Franziska Lörcher Biologin und Bartgeier-Spezialistin

«Das sind natürlich alles Schauermärchen», sagt sie weiter und schwärmt von der Schönheit des Bartgeiers, der mit einer Flügelspannweite von bis zu knapp drei Metern zu den grössten flugfähigen Vögeln der Welt zählt.

«Der Bartgeier ist sozusagen der letzte Restenverwerter», sagt Franziska Lörcher. Er kann ganze Knochen mit seiner Magensäure verdauen und davon leben. Er trägt die Knochen oft hinauf auf 100 Meter und lässt sie dort auf Geröllhalden fallen, wo sie zersplittern.

Heute leben 300 Bartgeier in den Alpen

Rund 100 Bartgeier seien heute in der Schweiz heimisch, sagt Franziska Lörcher, allerdings: «Vögel kennen keine Grenzen.» So leben über die ganzen Alpen verteilt rund 300 Bartgeier. Mittlerweile stammten die meisten Jungtiere aus Wildbruten. Ein Wermutstropfen sei aber die noch sehr tiefe genetische Vielfalt. Deshalb wildere die Stiftung Pro Bartgeier weiterhin Jungtiere aus.

Seit 2015 finden diese Aktionen im Wildtierschutzgebiet Huetstock bei Melchsee-Frutt im Kanton Obwalden statt. Mit dabei Franziska Lörcher: «Wer Bartgeier in der freien Wildbahn erleben will», so die Biologin, «hat im Schweizerischen Nationalpark oder aber im Wallis in der Region Leukerbad gute Chancen, an einem schönen Tag einen der riesigen Greifvögel beobachten und bewundern zu können».

Bartgeier-Hotspot im Grenzgebiet

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Der Bartgeier
Legende: Keystone

Parallel zu den Anstrengungen in der Schweiz erfolgten auch Auswilderungen in Italien, im benachbarten Nationalpark Stilfserjoch. Damit hat sich das bündnerisch-italienische Grenzgebiet zu einem eigentlichen Bartgeier-Hotspot entwickelt: Bis heute haben in dieser Region 23 Paare insgesamt 129 Küken aufgezogen, was 42 Prozent der in den Alpen geschlüpften Jungtiere entspricht.

SRF 1, Morgengast, 04.06.2021, 07:15 Uhr ; 

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