Mehrfacher Raub, mehrfache Geiselnahme: So lautet die Anklage der Solothurner Staatsanwaltschaft gegen einen 51-jährigen und einen 55-jährigen Mann. Sie haben gestanden, vor zwei Jahren unter anderem zwei Banken überfallen zu haben. Dabei bedrohten sie Angestellte und Kunden mit echten Pistolen und erbeuteten 100'000 Franken. In der Gerichtsverhandlung gaben sie unter anderem Schulden als Motiv an. Das Urteil gegen die Bankräuber wird Ende Monat gefällt.
Klar ist: Banken werden heutzutage seltener überfallen als früher. Die Zahlen in der Kriminalstatistik schwanken zwar stark, bei sämtlichen Raubdelikten ist aber eine leicht abnehmende Tendenz erkennbar.
Banken sind weniger attraktiv
Nora Markwalder ist Professorin für Kriminologie an der Universität St. Gallen und befasst sich unter anderem mit alten und neuen Formen von Kriminalität. In Bezug auf Bankraub hält sie fest, dass sich in den letzten Jahren die Umstände für einen Bankraub verändert haben. Das könnte die rückläufige Entwicklung zum Teil erklären.
In der kriminologischen Theorie sei der Blick auf sogenannte situative Tat-Entscheide sehr wichtig, erklärt Markwalder. Ein Täter entschliesse sich aufgrund verschiedener Faktoren dazu, ein bestimmtes Verbrechen zu begehen oder nicht zu begehen. Dabei spiele die Attraktivität des Tatobjektes, hier also der Bank, die potenzielle Beute, aber auch das potenzielle Risiko eine Rolle. Und bei diesen drei Punkten hätten sich in den letzten Jahren grosse Veränderungen ergeben.
Zum einen seien Banken heute weniger attraktive Tatobjekte, da ein Täter – auch mit begrenztem Wissen – davon ausgehen könne, dass eher weniger Bargeld direkt am Schalter vorrätig ist als in früheren Jahren. Stichworte dazu sind die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs und die Umstellung auf bargeldlose Kartenzahlungen. Die Beute, die potenziell erwartet werden kann, ist also tiefer.
Gleichzeitig sei heute bei einem Banküberfall das Risiko auf Misserfolg, also darauf, erwischt zu werden, wohl deutlich grösser. Die Sicherheitsmassnahmen der Banken sind ausgefeilter und die Ermittlungstechnologie der Polizei mit Videokameras und Handyüberwachung viel besser.
Es ist eine rationale Kosten-Nutzen-Abwägung.
Kriminologin Nora Markwalder sagt dazu, dass dieses höhere Tat-Risiko auch aus der Optik eines Täters erkennbar und für die Tatentscheidung zentral sein könne: «Es handelt sich hier um eine sehr rationale Kosten-Nutzen-Abwägung.»
Es gibt bequemere Verbrechen
Nicht zuletzt spiele auch noch eine Rolle, dass sich in den letzten Jahren andere Kriminalitätsformen entwickelt hätten, die bessere Beute-Chancen und ein deutlich geringeres Risiko mit sich brächten und entsprechend häufiger sind heute. Markwalder nennt hier als Beispiel verschiedene (Online-)Betrugsformen. Bei solchen Delikten brauche es keinen physischen Kontakt zu Opfern, wie bei einem Bankraub. Täter könnten ihre Verbrechen quasi «bequem» von zu Hause aus ausführen.
Schliesslich sei es aus kriminologischer Sicht somit eine rationale Entscheidung, basierend auf einer Kosten-Nutzen-Analyse, die dazu führt, dass Leute, die ein Verbrechen planen, eher nicht auf Bankraub, sondern lieber auf eine Alternative mit mehr Nutzen und weniger Risiko umschwenken. Die klassischen Bankräuber dürften vor diesem Hintergrund wohl zu einer verschwindenden Art gehören.